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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition)
Autoren: D. H. Lawrence
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Stimme.
    «Ja, also, wenn ich soll, dann tue ich es, um Ihnen zu gehorchen, Sir Clifford», sagte sie.
    Und sie las den Brief.
    «Aber ich bin wirklich erstaunt über Ihre Gnaden», sagte sie. «Wo sie doch so fest versprochen hat, daß sie zurückkommt!»
    Es war, als vertiefe sich der Ausdruck wilden, doch reglosen Schmerzes auf dem Gesicht dort im Bett. Mrs.   Bolton sah ihn an und war besorgt. Sie wußte, womit sie es zu tun hatte: mit männlicher Hysterie. Sie hatte nicht Soldaten gepflegt, ohne einiges über dies sehr unerquickliche Leiden zu lernen.
    Sie war ein wenig ungeduldig mit Sir Clifford. Jeder Mann, der seinen Verstand beisammen hatte, hätte gewußt, daß seine Frau einen anderen liebte und ihn verlassen würde. Ja, sie war sogar überzeugt davon, daß Sir Clifford innerlich sich dessen völlig bewußt gewesen war, es sich nur nicht hatte eingestehen wollen. Hätte er es sich eingestanden und sich darauf vorbereitet, oder hätte er es sich eingestanden und sich darüber mit seiner Frau auseinandergesetzt: dann hätte er wie ein Mann gehandelt. Aber nein: er wußte es und versuchte die ganze Zeit, sich vorzumachen, es sei nicht so. Er fühlte, wie der Teufel den Schwanz ringelte, und tat so, als lächelten die Engel ihm zu. Diese Unehrlichkeit sich selbst gegenüber hatte nun diese Krise herbeigeführt – verursacht durch dauernde Selbsttäuschung und Verdrängung –, diese Hysterie, die eine Form des Wahnsinns ist. «Das kommt davon», dachte sie bei sich und haßte ihn ein wenig, «daß er immer an sich selbst denkt. Er geht so völlig in seinem eigenen unsterblichen Ich auf, daß er wie eine Mumie in den eigenen Bandagen gefangen ist, wenn er wirklich mal einen Schlag erhält. Man braucht ihn nur anzusehen!»
    Aber Hysterie ist gefährlich: und sie war eine Krankenpflegerin – es war ihre Pflicht, ihn herauszureißen. Jeder Versuch, seine Männlichkeit und seinen Stolz aufzurütteln, würde ihn nur tiefer in diesen Zustand stoßen: denn seine Männlichkeit war nun tot – vielleicht für immer. Er würde sich nur immer mehr zusammenrollen, wie ein Wurm, weicher und weicher werden und immer zerrütteter.
    Das einzige war, sein Selbstmitleid zu entfesseln. Wie die Frau bei Tennyson mußte er weinen oder sterben.
    So fing Mrs.   Bolton als erste zu weinen an. Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und brach in leises, heftiges Schluchzen aus. «Das hätte ich nie von Ihrer Gnaden geglaubt, nie!» Sie weinte, und jäh stieg all ihr altes Weh und Leid in ihr hoch, und sie weinte die Tränen ihres eigenen bitteren Kummers. Als sie einmal angefangen hatte, war ihr Weinen auch echt genug, denn sie hatte Grund zu Tränen.
    Clifford stellte sich vor Augen, wie er von diesem Weib Connie betrogen worden war, und in einer Ansteckungswelle von Gram stiegen Tränen in seine Augen und rollten ihm die Wangen hinab. Er weinte um sich selbst. Sowie Mrs.   Bolton die Tränen über sein leeres Gesicht rinnen sah, wischte sie sich hastig die eigenen nassen Wangen mit ihrem kleinen Taschentuch ab und beugte sich zu ihm hin.
    «Nun grämen Sie sich nicht, Sir Clifford!» sagte sie in verschwenderischem Gefühl. «Grämen Sie sich nicht so – bitte nicht! Sie werden sich nur selber schaden.»
    Sein Körper erschauerte plötzlich in einem tiefen Atemzug stummen Schluchzens, und die Tränen flossen schneller über sein Gesicht. Sie legte ihm die Hand auf den Arm, und auch ihr kamen wieder die Tränen. Wieder schüttelte der Schauer ihn, wie ein Krampf, und sie legte ihm den Arm um die Schultern. «Nu, nu! Ist ja schon gut! Grämen Sie sich nicht! Ja! Ja! Ist ja schon gut!» murmelte sie auf ihn ein, und unterdessen rannen ihr selber die Tränen herab. Und sie zog ihn an sich und schlang die Arme um seine mächtigen Schultern, streichelte dabei sanft über sein aschblondes Haar und sagte: «Nu, nu, nu, nu! Ist ja schon gut! Nicht weinen! Scht! Scht! Nicht weinen!»
    Und er legte die Arme um sie, klammerte sich an sie wie ein Kind und benetzte den Latz ihrer gestärkten weißen Schürze und die Knopfleiste ihres hellblauen Baumwollkleides mit seinen Tränen. Endlich hatte er sich völlig gehenlassen.
    So küßte sie ihn schließlich und wiegte ihn an ihrem Busen, und in ihrem Herzen sagte sie sich: «O Sir Clifford! O stolze, hochmütige Chatterleys! So weit seid ihr also heruntergekommen!» Und endlich fiel er sogar in Schlaf wie ein Kind. Und sie fühlte sich erschöpft und ging in ihr Zimmer, und dort lachte und
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