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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition)
Autoren: D. H. Lawrence
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heute.»
    «Und wirst du zu ihm gehen und ihm Modell stehen?»
    «Oh, es macht mir wirklich nichts mehr aus. Er wird mich nicht anrühren. Und mir macht nichts mehr etwas aus, was den Weg zu einem gemeinsamen Leben für dich und mich bahnt.»
    «Aber er wird dich nur mit Dreck beschmeißen auf der Leinwand.»
    «Das ist mir gleich. Er wird nur seine Gefühle für mich malen, und mir ist es gleich, wenn er das tut. Ich würde mich nie von ihm anrühren lassen, um keinen Preis. Aber wenn er glaubt, er kann irgend etwas erreichen mit seinem blöden, kunstsinnigen Glotzen, dann laß ihn. Er kann so viel leere Röhren und Wellenformen aus mir machen, wie er will. Es ist seine eigene Beerdigung. Er haßte dich dafür, daß du gesagt hast, seine Röhrenkunst sei sentimental und selbstüberheblich. Aber natürlich hast du recht.»

NEUNZEHNTES KAPITEL
    «Lieber Clifford, ich fürchte, was Du vorausgesehen hast, ist eingetreten. Ich habe mich tatsächlich in einen anderen Mann verliebt, und ich hoffe sehr, Du wirst mich freigeben. Ich halte mich augenblicklich bei Duncan in seiner Wohnung auf. Ich schrieb Dir, daß er mit uns in Venedig war. Ich bin schrecklich unglücklich um Deinetwillen, aber, bitte, versuch, es gelassen hinzunehmen. Du brauchst mich im Grunde nicht mehr, und ich kann es nicht ertragen, nach Wragby zurückzukehren. Es tut mir entsetzlich leid. Aber, bitte, versuch, mir zu verzeihen, und gib mich frei, und finde eine Bessere. Ich bin wirklich nicht der richtige Mensch für Dich, ich bin zu ungeduldig und zu selbstsüchtig, vermute ich. Aber ich kann nie mehr zurückkommen und wieder mit Dir leben. Es tut mir so entsetzlich leid für Dich. Aber wenn Du Dich nicht zu sehr aufregst, wirst Du sehen, daß es Dich gar nicht so schrecklich trifft. Du hast Dir im Grunde aus mir persönlich gar nichts gemacht. So verzeih mir also und lös Dich von mir.»
    Innerlich war Clifford gar nicht überrascht, als er diesen Brief erhielt. Innerlich hatte er seit langer Zeit gewußt, daß sie ihn verlassen würde. Aber er hatte sich hartnäckig geweigert, diesen Gedanken als Realität zu nehmen. Deshalb war es jetzt, da es von außen an ihn herantrat, der furchtbarste Schlag und Schock für ihn. Er hatte die Oberfläche des Vertrauens, das er in sie gesetzt hatte, bisher vor jeder Trübung bewahrt.
    Aber so sind wir. Mit der Kraft unseres Willens trennen wir unser intuitives Wissen von dem bewußten, das wir uns zugestehen. Das versetzt uns in einen Zustand des Schreckens oder des Befürchtens, der den Schlag dann zehnmal schlimmer macht, wenn er dann wirklich fällt.
    Clifford war ein hysterisches Kind. Er jagte Mrs.   Bolton einen tödlichen Schrecken ein, wie er so aufrecht im Bett saß, mit gespenstischem, leerem Gesicht.
    «Aber Sir Clifford, was ist denn los?»
    Keine Antwort. Sie erschrak zu Tode, denn vielleicht hatte er einen Schlag bekommen. Sie stürzte zu ihm und befühlte sein Gesicht, griff nach seinem Puls.
    «Haben Sie Schmerzen? Versuchen Sie doch, mir zu sagen, wo es Ihnen weh tut! Sagen Sie doch was!»
    Keine Antwort.
    «O mein Gott, mein Gott! Dann muß ich nach Sheffield telefonieren, Dr.   Carrington soll kommen, und Dr.   Lecky kommt am besten auch gleich her!»
    Sie ging zur Tür, und da sagte er mit hohler Stimme: «Nein!»
    Sie blieb stehen und starrte ihn an. Sein Gesicht war gelb, leer – wie das Gesicht eines Geisteskranken.
    «Meinen Sie, ich soll den Arzt lieber nicht holen?»
    «Nein! Ich brauche ihn nicht», kam die Grabesstimme.
    «Oh, aber Sir Clifford, Sie sind krank, und ich traue mich nicht, die Verantwortung zu übernehmen. Ich muß den Arzt holen, oder man gibt mir die Schuld.»
    Eine Pause; dann sagte die hohle Stimme:
    «Ich bin nicht krank. Meine Frau kommt nicht zurück.» – Es war, als spräche eine Statue.
    «Kommt nicht zurück? Sie meinen Ihre Gnaden?» Mrs.   Bolton trat ein wenig näher hin ans Bett. «Oh, glauben Sie das nicht! Sie können sich darauf verlassen, daß Ihre Gnaden zurückkommt!»
    Die Statue im Bett veränderte ihre Haltung nicht, aber sie schob einen Brief über die Steppdecke.
    «Lesen Sie», sagte die Grabesstimme.
    «Ja, aber – wenn es ein Brief von Ihrer Gnaden ist, würde Ihre Gnaden bestimmt nicht wollen, daß ich ihren Brief an Sie lese, Sir Clifford. Sie können mir doch sagen, was sie schreibt, wenn Sie gern möchten.»
    Doch das Gesicht mit den herausquellenden, starren blauen Augen regte sich nicht.
    «Lesen Sie!» wiederholte die
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