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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel
Autoren: Lukianenko Sergej
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der Kanal zerstört werden.«

    Klar. Das Monster hält die Brücke schließlich nicht umsonst in seiner Hand: Sobald ich die Sicherheitssoftware knacke, reißt das Haar über der Schlucht.
    »Scheiße.«
    »Das habe ich nicht verstanden.«
    »Klappe!«
    Nun betrachte ich das Monster genauer. Die steinernen Lider sind halboffen, aus dem Mund hängt ein kleiner Stalaktit aus Spucke. Das ist pure Show, logisch, eine Beigabe für Gäste mit schwachen Nerven. Der übliche Wachhund am Eingangsgate. Aber irgendwo im Haar liegt der Verbindungskanal, der ins Viertel Al Kabar führt. Und von eben da kommen die Signale, die regeln, ob man den ungebetenen Gast einlässt oder vernichtet.
    »Hey, Iwan Zarewitsch, ich hab nicht ewig Zeit!«, schreit der Wolf.
    Stimmt, ich muss endlich was unternehmen. Bisher hat mich das Programm automatisch ausgeknockt, aber nächstes Mal könnten sich durchaus die Systemadministratoren von Al Kabar einschalten. Und zwar sowohl die virtuellen wie auch die traditionellen.
    »Belebe den Schatten!«, befehle ich Vika.
    Die dunkle Silhouette auf dem Handteller fängt an sich zu bewegen, gewinnt Volumen, richtet sich auf, füllt sich mit Farbe. Ich schneide meinem Doppelgänger eine Grimasse, der bleibt mir nichts schuldig.
    »Bewege den Schatten!«, kommandiere ich. »Finde das Passwort!«
    Es dauert einen Moment, denn der Rechner muss erst auf die Dateien zugreifen, um dem Schatten alles zu überspielen,
was er über Al Kabar weiß. Schließlich betritt mein Doppelgänger die Brücke. Natürlich bringt mir das rein gar nichts – bis auf Zeit.
    »Wer bist du?«, brüllt das Monster und packt sich den Schatten. Als sich die Finger schließen, schaffe ich es gerade noch zu entwischen, über die geballte Faust zu kriechen und auf den Faden zu springen.
    »Wer bist du?«, donnert es da hinter mir. Und sogleich schmeißt mich das Monster mit seiner rechten Hand zu Boden. Ich zersplittere in tausend kleine Scherben. Auf dem Rücken liegend beobachte ich meinen Doppelgänger, der auf der Hand herumzappelt.
    Also, auf den kann ich mir wirklich was einbilden. Eine solide Arbeit.
    »Wer bist du?«, wiederholt das Monster seine Frage.
    »Einer, der nicht in deiner Macht steht.« Auch mein Doppelgänger versucht, den Ifrit auszutricksen.
    »In wessen Macht befindest du dich?«
    »In meiner eigenen.«
    Wie viele Todesarten dieses Monster wohl noch für Diebe auf Lager hat? Immerhin wären da noch die Zähne, die Hörner … auch mit dem Phallus könnte es bestimmt etwas anstellen …
    »Weshalb bist du hierhergekommen?«
    »Um Macht über mich selbst zu erlangen.«
    »Dann gehe und finde sie!«
    Die Faust öffnet sich, das Monster versteinert. Ich bleibe liegen und ringe nach Atem. Mein Doppelgänger steht reglos am Rand des Handtellers.
    »Vika, woher kriegt der Schatten seine Antworten?«

    »Aus einer offenen Datei von Al Kabar, sie heißt Die virtuelle Stellenbewerbung .«
    Der Wolf kommt näher. »Was ist passiert?«, flüstert er.
    Ich erkläre es ihm.
    »Sag mal, Iwan Zarewitsch, du bist nicht eigentlich Iwan der Dumme?«, knurrt der Wolf.
    Was soll ich darauf sagen? Klar, ich hätte mir erst mal alle Dateien ansehen müssen, und nicht nur die geklauten zur virtuellen Ausgestaltung des Viertels.
    »Vika, verschmelze uns!«, befehle ich.
    Der Schatten saugt mich förmlich auf. Jetzt übernimmt dieser Körper das Kommando. Und er ist bereits auf der Brücke.
    Allerdings ist das ein Pyrrhussieg. Der Ifrit hat nämlich längst Meldung über den Besucher gemacht, der gerade die Brücke überquert. Also wird auf der anderen Seite ein Empfangskomitee auf mich warten.
    Ein Einzelner, der es mit einer Gruppe aufnimmt, ist jedoch zum Tode verurteilt – in jedem Raum, selbst im virtuellen.
    Okay, das lässt sich nicht ändern. Ich muss jetzt losgehen, muss diese Haarbrücke betreten.
    Ehrlich gesagt, ist dieser Hochseilakt praktisch unmöglich, sogar für Profi-Akrobaten. Die Brücke ist wirklich nur ein Faden über einer Schlucht. Die Türme von Al Kabar in der Ferne locken, sind aber unerreichbar.
    Tiefe, Tiefe, ich bin nicht dein …
    Ich kniff die Augen zusammen, öffnete sie aber gleich wieder. Vor meiner Nase sah ich die Schlucht, den Faden darüber, die Gebäude in der Ferne. Wäre doch gelacht,
wenn ich das nicht schaffe! Den Blick nach unten geheftet setzte ich vorsichtig einen Fuß vor den anderen und balancierte über die Brücke.
    Das ist bloß ein Bild!, rief ich mir in Erinnerung. Ohne
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