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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel
Autoren: Lukianenko Sergej
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beschäftigt. An wirklich interessante Informationen bin ich durch meine Wanzen jedoch nur selten rangekommen.
    »Ljonja, die Immobiliengesellschaft Poljana hat eine Beschwerde vom Mieter Nr. 1 erhalten.«
    »Ignoriere sie«, knurre ich, während ich einen Kerl beobachte, der die Straße hinunterläuft, eine echt abgefahrene Type. Der junge Arnold Schwarzenegger gekreuzt mit dem älteren Clint Eastwood. Sieht zum Brüllen komisch aus. Als er meinen spöttischen Blick auffängt, legt er einen Zahn zu.
    Ich hebe den Arm, kurz darauf hält ein gelber Wagen am Straßenrand.
    »Ljonja, die Immobiliengesellschaft Poljana hat deine Beschwerde ignoriert!«
    »Schon gut, macht nichts.«
    Das könnte ewig so weitergehen, nur habe ich im Moment keine Lust auf diese Spielchen. Ich steige ins Auto, der Fahrer – ein lächelnder Mann mit tadellosem Haarschnitt und gestärktem Oberhemd – dreht sich zu mir um. Mit solchen Leuten fahre ich gern, sie sind gut ausgebildet und reden nicht viel.

    »Die Gesellschaft Deep-Explorer freut sich, Sie begrüßen zu dürfen!«
    Meinen Namen nennt er nicht, denn die Software hat das Taxi anonym gerufen.
    »Wie wollen Sie zahlen?«
    »So«, sage ich und ziehe einen Revolver aus der Tasche. Ich ramme dem Typen die Mündung gegen die Schläfe. Er will sich wehren, doch das bringt nichts. Ich beobachte sein kreidebleiches Gesicht und packe ihn am Kragen. »Ins Viertel Al Kabar«, befehle ich.
    »Die genannte Adresse existiert nicht«, presst der Fahrer heraus. Er ist geradezu ausgeknockt und leistet keinen Widerstand mehr.
    »Al Kabar. Acht-Sieben-Sieben-Drei-Acht.« Der einfache Code öffnet den Zugang zu den Dienstadressen des Deep-Explorers. Ich hätte den Fahrer nicht zu schlagen brauchen, aber dann wäre meine Fahrt in den Logs der Gesellschaft aufgetaucht.
    »Wird erledigt.« Der Fahrer lächelt, er ist jetzt wieder genauso freundlich und zuvorkommend wie vorher. Wir fahren los. Ich sehe aus dem Fenster, die Wohnviertel Deeptowns mit ihren Wolkenkratzern, die bis unters Dach mit kleinbürgerlichem Gesindel vollgepfercht sind, die pompösen Firmenbüros ziehen vorbei. Ich mache die langen grauen Kästen von IBM, die prachtvollen Paläste von Microsoft, die filigranen Türme von AOL und die bescheideneren Niederlassungen anderer IT-Konzerne aus.
    Klar, es gibt auch Möbelhäuser, Lebensmittelfirmen, Immobiliengesellschaften, Reisebüros, Transportunternehmen oder Krankenhäuser, schließlich legt es jedes halbwegs
solvente Unternehmen darauf an, eine Dépendance in Deeptown zu eröffnen.
    Gerade dieser Überfluss lässt Deeptown ja boomen. Im Grunde hätte ich mich auch zu Fuß durch die Stadt bewegen können, nur würde das viel zu lange dauern. Stattdessen rasen wir nun durch die Straßen, bremsen an Kreuzungen, nehmen Tunnel und brettern über Autobahnkreuze. Von mir aus. Ich hätte den Fahrer anweisen können, den kürzesten Weg zu wählen, doch in dem Fall hätte er sich mit der Zentrale in Verbindung setzen müssen. Und ich hätte eine Spur hinterlassen …
    Die Stadt endet abrupt, als sei die Wand aus Palästen und Wolkenkratzern mit einem riesigen Messer abgesäbelt worden. Direkt hinter der Ringautobahn liegt Wald. Dichter, dunkler Wald – der alle, die sich nicht unbedingt auf dem Präsentierteller wiederfinden wollen, abschirmt.
    »Halt an!«, sage ich, als wir die Mangobäume hinter uns haben und durch und durch mittelrussische Sträucher erreichen. »Beim nächsten Pfad.«
    »Bis zum Viertel Al Kabar ist es aber noch weit«, gibt der Fahrer zu bedenken.
    »Stopp!«
    Das Auto bleibt stehen. Ich steige aus und trete einen Schritt vom Taxi weg. Der Fahrer wartet. Ich ebenfalls, denn auf der Straße nähern sich Lichter. Und wozu Zeugen? Doch irgendwann …
    Ich ziele auf das Auto und drücke ab. Der Schuss ist kaum zu hören, der Rückstoß nur schwach. Trotzdem geht die Karre in Flammen auf. Der Fahrer sitzt da und
stiert vor sich hin. Kurz darauf hat Deep-Explorer einen Wagen weniger.
    Bestens. Soll nur alles aussehen, als hätten sich ein paar Rowdys einen Scherz erlaubt. Ich verdrücke mich in den Wald.
    »Wie unfein«, brummt Windows Home aus der Nadel.
    »Sind alle Einstellungen optimal?«
    »Ja.«
    »Dann brauche ich jetzt deine Hilfe. Such das Versteck! Codename Iwan.«
    »Der leuchtende Baum«, teilt mir Vika mit.
    Ich sehe mich um. Aha. Da drüben, da leuchtet eine riesige Eiche mit einem magischen blauen Feuer. Und zwar nur für mich. Zu ihr gehe ich, stecke die
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