Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel
Autoren: Lukianenko Sergej
Vom Netzwerk:
virtuellen Raum eingedrungen zu sein, Gebrauch von Waffen gemacht zu haben, erheblichen Sachschaden verursacht und Informationen unterschlagen zu haben, die für Deeptown von existenzieller Bedeutung sind«, rattert Jordan los. »Bis zur weiteren Klärung der Umstände sind Sie verhaftet.«
    »Und wofür wird mein Haus angeklagt?«, will ich wissen.
    »In ihm wird nach Hinweisen gefahndet«, antwortet Raid unerschütterlich.
    Ich betrachte das lodernde Haus. Sie fahnden in ihm? Wohl kaum! Die konservieren es. Frieren es ein. Die stopfen alle Kanäle mit Daten zu. Ob der Loser diesem Angriff etwas entgegenzusetzen vermag? Oder übersteigt diese Attacke selbst seine Kräfte?
    »Ich kapituliere«, sage ich. »Ich bekenne mich in allen Punkten schuldig. Dafür bitte ich … das hier einzustellen.«

    Jordan schüttelt mit leicht mitleidigem Blick, aber dennoch voller Entschiedenheit den Kopf. »Sie brauchen gar nicht zu versuchen, sich in der Realität zu verstecken«, warnt er mich. »Wir haben bereits Interpol gebeten, Sie zu verhaften.«
    Die Angst überwältigt mich, raubt mir den Willen, erstickt meine Kräfte. Vielleicht stehen ja dort, in der Realität, längst ein paar finstere Gestalten der OMON-Truppen in schwarzen Hasskappen hinter mir.
    Ein echtes Gefängnis, ein echtes Verhör – das lässt sich in keiner Weise mit einem virtuellen Kampf vergleichen, nicht mal mit einem besonders hitzigen. Echter Knast – das bedeutet eine verfaulte Matratze und eine dünne Plörre zum Mittag, deren Rezept seit Stalins Zeiten unverändert ist, das bedeutet ein winziges Fenster mit Gittern davor und einen stumpfsinnigen Aufseher.
    Oder hat die Polizei meiner Heimat – bei aller Bereitschaft, einen russischen Staatsbürger gegen ein Dutzend ausrangierter Funkgeräte auszutauschen – doch noch nicht gelernt, schnell zu reagieren?
    Ich müsste Tiefe, Tiefe  … murmeln und fliehen!
    Stattdessen starre ich in die designten Gesichter, glotze auf die Security-Leute mit den Waffen. Wer nicht alles einem Wunder nachjagt! Aus allen Ecken der Erde sind sie in die Tiefe getaucht, um ein kleines Häppchen dieses Geheimnisses  – wie auch immer es in unsere Welt gekommen sein mag – an sich zu reißen!
    Da packt mich Wut.
    »Jordan! Ich gebe Ihnen zehn Sekunden«, fauche ich. »Ihnen allen. Zehn Sekunden, um zu verschwinden.«

    »Kommen Sie zur Besinnung, Leonid!« Das ist Raid.
    »Revolvermann, lassen Sie uns einen Kompromiss finden …« Und das Willy.
    »Auch deine Kräfte sind nicht unbegrenzt.« Der Mann Ohne Gesicht.
    Die haben Angst! Angst vor mir! Vor einem, der allein gegen alle kämpft, erschöpft ist, nur eine alte Kiste und keine einzige Waffe hat!
    Warum?
    »Mir ist schleierhaft, wieso du Widerstand leistest«, setzt Dibenko an, »aber …«
    »Noch fünf Sekunden«, verkünde ich.
    Die ersten Schüsse knallen. Entweder gab es vorher keinen Befehl oder ich habe es nicht gehört.
    Feuer und Schmerz fallen über mich her.
    Alles, was in den Jahren, seit die Tiefe existiert, ersonnen worden ist, sowohl erprobte als auch geheime Waffen  – all das habe ich nun die Ehre kennenzulernen.
    Das Feuer schluckt mich. Auf den Gesichtern um mich herum spiegelt sich Angst, selbst im grauen Nebel des Mannes Ohne Gesicht spiegelt sich Angst …
    Warum bin ich immer noch hier, warum bleibe ich in der virtuellen Welt, warum nehme ich nicht vor dem grauen Bildschirm meines abgestürzten Rechners den Helm ab?
    Ich dehne mich im Raum aus, bis ich die Security-Leute packen kann, und zwar nicht mit den Händen, sondern nur mit dem Blick. Ihre Körper werden zerknautscht wie eine Stoffpuppe, auf die jemand tritt, zerfallen zu Asche, steigen als Dampf in die Luft auf, erstarren, schrumpfen
zu einem Punkt zusammen und lösen sich in Luft auf. Als werfe ihnen mein Blick wie ein Spiegel all die Gemeinheiten entgegen, die sie mir auf den Hals gehetzt haben.
    Als die fünf Sekunden, die ich meinen Feinden eingeräumt habe, verstrichen sind, ist die Straße leer. Bis auf mein Haus, das noch lodert. Bis auf diejenigen, die es in Flammen gesetzt haben.
    »Nur in der Tiefe bist du ein Gott«, bemerkt der Mann Ohne Gesicht. Er droht mir nicht, er ruft mir etwas in Erinnerung …
    »Ach ja?« Ich trete näher an ihn heran. »Raid! Die Computer der Steuerpolizei werden darüber informiert, dass du ein paar Millionen unterschlagen hast! Urmann! Alle Daten Al Kabars sind frei zugänglich! Willy! Das Labyrinth ist tot! Die Levels sind gelöscht,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher