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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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(!) Elsa, ihre mitternächtliche Frage an den Mann, wo er denn nun herkäme, seine Aufforderung, daß ihn ihre Augen gefälligst ›nur sanft bescheinen‹ mögen, hat sich in der volkstümlichen Version ›Geh Oide schau mi net so deppert an‹ auch in den Grünen Hitparaden hundert Jahre nach dem Erstauftreten Spitzenplätze erkämpft.
    Mit dem ›Lohengrin‹ -Album stellte sich Wagner in die erste Reihe der Liedermacher. Seine Kenntnis der Literatur, der revolutionären Schriften der Zeit, seine Bekanntschaft mit Michael Bakunin ermöglichten ihm vielleicht einen nicht zu unterschätzenden Vorsprung. Sein Wissen um die Theorie ermöglichte ihm eine psychologisch vertiefte Präsentation der klaren patriarchalischen Grundidee (siehe oben: ›Kusch!‹), der er mit dem Duo Friedrich/Ortrud die dialektische Antithese [Hegel!] gegenüberstellte: Wer seine Alte mitreden läßt – geht drauf. Für den neben Rossacher/Dolezal, vielleicht noch Udo Huber, bestinformierten Kenner und Theoretiker der Liedermacher-Szene, für Marcel Prawy, wäre Richard Wagner auch groß und bedeutend, hätte er keinen Ton komponiert; er bescheinigte seinen Texten in einem legendären Club 2 unsterbliche dramatische Kraft (vgl. die zahlreichen Granny-Auszeichnungen, die die Beatles in USA für die besten Texte erhielten!).
    Die Arbeitsweise Richard Wagners und der Beatles bestätigt diese Ansicht Prawys: Zuerst kam immer der Text, dann das Tideldumm. Der engagierte Text macht den Song zum Werkzeug der Agitation – Wagner entdeckte vor allen anderen das Gesetz vom optimalen Wirkungsgrad: Je einfacher und anspruchsloser desto ungeheurer fährt das Publikum darauf ab.
    Dieses Wissen schlug sich auch in seiner Bühnenshow nieder: Gefragt ist der Gleichschritt, die Harmonie, der Einklang zwischen dem, was der Zuschauer sieht und dem, was ihm an Message vermittelt werden soll: ›Schmiede mein Hammer ein hartes Schwert … der frohen Funken wie freu ich mich usw.‹ dröhnt die heavy-metal-Nummer von der Bühne, während der Leadsänger mit seinem Hammer ein hartes Schwert schmiedet und sich – aber schon wie! – der frohen Funken freut – Richard Wagner ist ein Meister der performativen Rede: Eines der Geheimnisse seines Erfolges als Liedermacher, zweifellos hat Prawy recht, wenn er ein Gutteil den Texten zuschreibt.
    Zweifellos steht nämlich R.W. mit ›Hoho! Hoho! Hahei!‹, mit ›Hojotoho! Hojotoho! Heiaha!‹ oder auch mit dem ›Wallala! Lalaleia! Leialalei! (Beachtet bitte die raffinierte Variation!) Heia! Heia! Haha!‹ der Rheintöchter in Punkto Qualität, Aussagekraft und knapper Prägnanz späteren Produkten, Produkten des 20. Jhdts, wie ›Balla Balla‹, ›Tutti Frutti‹ oder auch ›Hanky Panky‹ nichts, aber schon gar nichts nach!

    Wichtigstes Promotionmittel waren bis zum Aufkommen der Video-Clips die Live-Shows, natürlich hätte sich Wagner wie Biermann mit einer Gitarre auf die Bühne setzen und seine Botschaften in Kellertheatern verkünden können, das vertrug sich jedoch nicht mit seiner Selbsteinschätzung, wohl auch nicht mit seiner Stimme. Er ist da durchaus vergleichbar, z.B. Udo Lindenberg, der auch das große Haus sucht, die Massen auf der Bühne, den Klangteppich des Panikorchesters. Wie die Veranstalter des Rolling Stones-Konzertes im Praterstadion der Stadtgemeinde Wien zwecks Übernahme der Ausfallshaftung bedurften, so mußte sich auch Richard Wagner wegen seines schon manischen Hangs zu opulenter Instrumentierung einen obrigkeitlichen Garanten suchen, um seine überdimensionierten Shows realisieren zu können: Wenige Jahre vorher noch Barrikadenkämpfer in Dresden, verdächtigt, mit eigener Hand Feuer an das dortige Opernhaus gelegt zu haben (wenn ihm da auch persönliche Gründe nachgesagt wurden); das Management traute dem jungen Künstler nicht zu, das Große Haus durch seine ›Musik‹ zu füllen – ein Gedanke, der uns heute doppelt absurd vorkommen muß: Selbstverständlich läßt sich ein Großes Haus nicht füllen, wenn dort hunderte von mit Instrumenten Bewaffnete organisierten Lärm verursachen! – Wagner jedenfalls konnte den Verlockungen des Establishments nicht widerstehen, sobald dieses sich zum ersten Mal herabließ, ihm mit blanker Münze zu winken. Das sei jetzt keine Entschuldigung für Richard Wagners Abdankung als engagierter Liedermacher, für seine Prostitution: Aber womit die Reaktion (Ludwig II.) winkte, war nicht ohne: Eine eigene Bühne, ein eigenes Studio – wenn auch in
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