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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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dieser eindeutigen Gewalt-Parolen fallen lassen so sicher wegen der Doppelbödigkeit, mit der er den ersten Teil der Message behandelte: Um mit der ›Tannhäuser‹ -Show in Paris gastieren zu dürfen, verstümmelte er diesen ersten Aufschrei nach Free Love ›was sich, aus gleichem Stoff erzeuget, in weicher Formung an euch schmiegt, dem ziemt Genuß im freud’gem Triebe, und im Genuß nur kenn’ ich Liebe!‹ – von dem nur noch ein kleiner Schritt zum ebenso berühmten ›Why don’t We Do It In the Road‹ gewesen wäre … verstümmelte er die wohl wichtigste Botschaft seiner frühen Jahre … durch eine Balletteinlage!!! Daß er diesem Plädoyer für die freie Liebe in der Talsohle seines Schaffens auch noch mit dem ›Parsifal‹ -Album eine altklerikale Kasteiungs-Orgie entgegenstellte, warf ihm schon niemand mehr vor. Für die Szene war er da ohnehin schon lange tot. Den ›Free Love‹-Boom hatte R.W. dennoch voll erwischt, die Friedensbewegung aber verschlafen. Ein drittes Thema drängte sich auf – die Trunksucht einer verunsicherten, labilen Jugend … doch was hat er daraus gemacht!
    ›Ew’ger Trauer einz’ger Trost: Vergessens güt’ger Trank, dich trink ich sonder Wank …‹ … man wundert sich schon nicht mehr. Als bezeichnend sei hier nur bemerkt, daß sich Wagner in antimanzipatorischer Absicht wieder der verderblichen Wirkung der Frauen besinnt: Natürlich ist es eine Frau, Isolde, die Tristan zum Suff verführt, natürlich bleibt Wagner auch nicht bei diesem Vorwurf stehen, er glaubt auch, das ist für ihn typisch, auf die weibliche Eigenschaft des Neides aufmerksam machen zu müssen; in Fortsetzung des Songs entwindet Isolde dem Mann förmlich den Becher, reißt ihm das Gefäß vom Mund, um selber zu saufen, ein Umstand, der damals, wir befinden uns ja gleichsam in der Steinzeit der Zivilisierungsversuche des Menschen, sofort die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Freiheit der Kunst virulent machte, wenn diese so mißbraucht wurde (vgl. Achternbusch, ›Das Gespenst‹) – denn, ohne das jetzt ausschließlich auf Wagner zurückführen zu wollen, Tatsache bleibt in dieser dunklen Zeit: Immer mehr Frauen greifen zur Flasche (vgl. zum Vorbildcharakter von Idolen Janis Joplin/LSD, McCartney/Hasch, Hans Moser/Wein, usw.).
    Und wenn sie nicht selber trinken, so Wagners Sicht der Dinge, verführen sie die Männer zum/im Suff: Die Chance, ein Vorurteil aus Erfolgs-Sicht zu bestärken, (vgl. Konzept ›Neue Kronen Zeitung‹, ›Bild‹ und ›Bild am Sonntag‹) läßt sich R.W. nie entgehen. In ›Götterdämmerung‹ (nicht zu verwechseln mit U. Lindenbergs ähnlich benanntem Opus, Analogien zur Siegfried-Story finden sich eher in › Arthur, Decline and Fall of the British Empire‹ von den Kinks) hat Siegfried die Wohnung Gunthers kaum betreten, wird er schon zu einem Drink genötigt (Kleben an Klischees: der erste Schritt vom ›Liedermacher‹ zum Schlagerfatzke.). Der hat es in sich, S. flippt aus – und schon ist da die Frau: Gutrune bemächtigt sich des Wehrlosen, seine zu Hause wartende (sic!) Gattin ist vergessen. Weitere Detailanalysen lohnen nicht, zusammenfassend kann nur möglichstes Bedauern ausgedrückt werden: Was hätte Wagner bei mehr Konsequenz, bei mehr Verantwortungsbewußtsein gegenüber seiner Begabung oder auch nur bei besserem Management nicht alles an positiver Wirkung zugetraut werden können!
    Hatte es dieser einst so engagierte Agitator wirklich nötig, sich so an das große Geld ranzuschmeißen (›Heil König Heinrich! …‹)? Dem Publikum mit Wunschkonzert-Weisen à la Hochzeitsmarsch ›Treulich geführt usw.‹ (vgl. Roy Black, ›Ganz in Weiß‹) so hemmungslos nachzurennen? Mit Nummern wie der ›Meistersinger‹ -Ouvertüre (oder auch der des ›Tannhäuser‹) in verzweifelt machende Nähe seichter Unterhaltungsmusiker wie Tijuana Brass oder James Last zu rücken, ohne dabei aber Bert Kaempfert (›Swinging Safari‹) oder Ennio Moricone wirklich zu erreichen?
    Mit Belang- und Inhaltslosigkeiten kam man zwar in die Hitparaden (seine Wassersportmasche, der vom Schwan gezogene Kahn, zog 100 Jahre später, aufgemascherlt zum Schlauchboot mit Motor, noch immer, vgl. KGB, ›Moutabout-Moutabout‹), verliert aber auch historisch jeden Anspruch auf politische, geschweige revolutionäre Relevanz; verliert mit einem Wort jeden Anspruch auf das Etikett ›Liedermacher‹.
    Einer der ersten Kritiker dieser unheilvollen Entwicklung Wagners zum bloßen
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