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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Reisevorbereitungen befasst hatte, war ihr klar, dass Norwegen eigentlich das typische Camperland war. Auch wegen der enorm hohen Lebenshaltungskosten. Ein Gaststättenbesuch kam vermutlich gar nicht infrage.
    »Beim letzten Mal«, grinste Sander und schaltete die Scheibenwischer wieder auf den Schnellgang, »da bin ich mir manchmal vorgekommen, als würde ich verfolgt.«
    Er konnte nicht ahnen, welche Bedeutung diese Feststellung bald haben sollte.

5
    Rupert Bodling schaute auf die Uhr. »Ich will Ihre Zeit nicht länger strapazieren«, sagte er lächelnd. »Schließlich bin ich froh, dass Sie heute überhaupt gearbeitet haben.« Er spielte auf den Brückentag an: auf den Freitag nach Fronleichnam, das in Baden-Württemberg ein gesetzlicher Feiertag ist.
    Schweizer lehnte sich zurück. »Ein paar müssen schließlich die Stellung halten«, meinte er entspannt. »Kollege Wollek hat dringend ein paar Tage Urlaub gebraucht – und Frank Büttner hat wohl sein Wochenende verlängert.«
    »Was Herrn Büttner anbelangt«, wandte Feucht vorsichtig ein, »da tu’ ich mich gerade ein bisschen schwer.« Er wartete eine Reaktion Bodlings ab, doch der trank seine Tasse leer und gab sich desinteressiert.
    Feucht sah sich genötigt, das näher zu erläutern. »Er will’s wohl in manchen Dingen genau wissen«, stellte er sachlich fest. Nur ein Kaufmann konnte so trocken und emotionslos sein.
    Schweizer schlug die Beine übereinander, was so gedeutet werden konnte, als wolle er auf Distanz gehen und gespannt abwarten, wie Bodling reagierte.
    Der Chef lächelte gelassen. »Es kann nie schaden, den Dingen auf den Grund zu gehen.«
    Schweigen breitete sich aus, das Feucht mit einem verlegenen Räuspern beendete und dann anfügte: »Es ist wie so oft im Leben: Man besteigt voller Enthusiasmus einen schmalen Grat, um selbst am höchsten zu sein, doch plötzlich stellt man fest, dass die Luft dort oben ziemlich dünn und der Rückweg voller Gefahren ist.«
    Schweizer grinste in sich hinein. Nicht schlecht, wie Feucht dies ausdrückte, dachte er. Ob diese Formulierung wohl von ihm stammte?
    Bodling wollte nicht weiter darauf eingehen. »So kann das nur ein Bergfreund wie Sie ausdrücken, Herr Feucht. Aber ich denke, dass Herr Büttner genügend Seilschaften hat, die ihn notfalls halten.« Er sah die beiden Männer an und beendete das freitägliche Treffen. »Ein schönes Wochenende wünsch’ ich.«
     
    *
     
    Im Laufe des Freitagabends war das Wetter besser geworden. Die Sonne stand noch bis 23.30 Uhr am Himmel und bescherte bei abziehendem Regen einen traumhaften Regenbogen, der sich über den gesamten Campingplatz spannte. Hier in Fjällbacka, irgendwo abseits der schwedischen Autobahn in Richtung Norwegen, hatten Georg Sander und seine Partnerin ihre zweite Tagesetappe beendet und vom Wohnmobil aus den bräunlichen Schein der tief stehenden Sonne bewundert, die noch zu später Stunde die Häuser auf der anderen Seite des Campingplatzes in ein sanftes Licht tauchte. Die 1.500 Kilometer, die sie nordwärts gefahren waren, machten sich nun im Juni bereits am Sonnenstand deutlich bemerkbar. Es wurde überhaupt nicht mehr richtig dunkel.
    Im Laufe der Nacht klarte der Himmel auf und allen Befürchtungen zum Trotz, wonach sich mit Skandinavien stets Kälte, Regen und Stürme verbanden, wurde es an diesem Samstagmorgen sogar sommerlich warm. Sander drängte deshalb zum Aufbruch. Bei solchen Witterungsverhältnissen konnten sie gut und gern einige 100 Kilometer zurücklegen. Vor allem aber wollte er am Nachmittag in Kongsberg sein.

6
    Sie folgten zunächst der Beschilderung bis Oslo, um dann jedoch rund 80 Kilometer vorher durch den Unterwassertunnel westwärts nach Drammen abzubiegen. Er musste sich eingestehen, dass es ein eigenartiges Gefühl war, die Oslobucht zu unterqueren. Doch es sollte nur der Erste von einer Vielzahl von Tunnels sein, die sie in den kommenden beiden Wochen benutzen würden. Die Norweger, so schien es, hatten ihr ganzes Land untertunnelt. Dass es dort sogar mit 24,5 Kilometern den längsten Straßentunnel der Welt gab, war Sander bislang nicht bewusst gewesen. Was mussten das für geniale Straßenbauer sein – und vor allem: Welche immensen Summen steckten dahinter? Im Laufe der Reise musste Sander jedoch erkennen, dass trotz der vielen gut ausgebauten Straßen keine allzu großen Tagesetappen zu bewältigen waren – schon gar nicht auf beschaulichen Nebenstrecken. Die waren ziemlich kurvig, bergig und
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