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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss
Autoren: Gmeiner-Verlag
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des Geländewagens konnte einigermaßen sicher sein, nicht in eine unerwartete Polizeikontrolle zu geraten. Er überlegte, ob er sich bereits in Fürstenberg nach einer Waschanlage umsehen sollte. Doch dann verwarf er diesen Gedanken wieder, denn es schien ihm angeraten zu sein, sich noch einige Kilometer zu entfernen. Man konnte nie wissen, wer später irgendwelche Zusammenhänge konstruierte, wenn die öffentliche Suche nach einem verdächtigen Fahrzeug losging. Immerhin aber hatte er dafür gesorgt, dass sein Fahrzeug kein fremdes Kennzeichen trug. Einheimische erweckten erfahrungsgemäß nicht sofort Argwohn.
    Am besten, so entschied er für sich, würde er die Fahrzeugwäsche in Oranienburg vornehmen. Das war weit genug weg und bereits im Großraum Berlin, wo man anonymer war als in diesen Kleinstädten. Und das war jetzt wichtig.

3
    »Wir nähern uns einer gefährlichen Obergrenze«, stellte der Mann an dem Besprechungstisch fest, der aus dunklem Holz bestand. Soeben hatte die freundlich lächelnde Sekretärin den drei Teilnehmern der kleinen vormittäglichen Runde Kaffee gebracht und eingeschenkt. »Deshalb sollten wir unser weiteres Vorgehen abstimmen«, erklärte der Wortführer, der den Knopf seines blauen Jacketts geöffnet hatte. Seine Krawatte war wie immer farblich auf die restliche Kleidung abgestimmt. Als Vorstandsvorsitzender des örtlichen Stromversorgungsunternehmens repräsentierte er immerhin eine angesehene Genossenschaft, die bisher alle Stürme auf dem Energiesektor erfolgreich überstanden hatte – und daran war er persönlich maßgeblich beteiligt gewesen. Als auf dem Strommarkt vor über zehn Jahren das Monopol gefallen war und ein nie zuvor gekannter Wettbewerb eingesetzt hatte, in dem die ganz Großen versuchten, die Kleineren auszubooten, waren viele Klippen zu umschiffen gewesen. Ohne Männer wie Rupert Bodling und sein Team wäre das Unternehmen vermutlich längst einer Heuschrecke zum Opfer gefallen. Möglicherweise hatte auch die Rechtsform einer Genossenschaft dazu beigetragen, dass derlei Angriffe abgewehrt werden konnten und manches einfacher zu bewältigen war, schließlich hatte Bodling es nicht mit kaltschnäuzigen Großaktionären, sondern mit vielen kleinen ›Genossen‹ zu tun. Und in seinem Aufsichtsrat saßen Vertreter des Mittelstands und die Bürgermeister der umliegenden Gemeinden. Ihnen allen war daran gelegen, ein regionales Unternehmen zu erhalten. Denn heimische Produkte lagen im Trend. Die Globalisierung hatte seit der großen Finanzkrise im vergangenen Herbst inzwischen vielen Menschen Angst gemacht. Skrupellose Geschäftemacher lauerten überall und waren nur darauf aus, in die eigene Tasche zu wirtschaften. Die Firmen- und Bankenpleiten in jüngster Zeit trugen ein Übriges zu der Verunsicherung bei.
    »Diese Obergrenze«, fuhr Bodling fort, während die attraktive Sekretärin jedem der drei Männer einen aufmunternd provokanten Blick zuwarf und den Raum verließ. »Diese Obergrenze«, wiederholte er, um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken, »ist die Schmerzgrenze, bis zu der unsere Kunden bereit sind, den Preis zu bezahlen, der uns diktiert wird.«
    Die beiden anderen Männer, von denen einer deutlich jünger war als der Chef, machten betroffene Gesichter und rührten gedankenversunken in ihren Kaffeetassen. Schwere Vorhänge an den Fenstern dämpften jedes Geräusch in dem großen Büro.
    »Sie denken über eine weitere Preiserhöhung nach?«, unterbrach Alfred Feucht die entstandene Stille. Er war der Ältere in der Runde und seit vielen Jahren für den kaufmännischen Bereich zuständig.
    »Sie wissen selbst, Herr Feucht, wie sich der Energiesektor entwickelt hat«, dozierte Bodling und lehnte sich zurück, sodass die metallene Lehne des gepolsterten Stuhles wippte. »Wir werden uns diesen Stürmen nicht entziehen können.«
    »Und diese Stürme, wenn ich diesen Vergleich aufgreifen darf«, ergänzte der jüngere Mann auf der anderen Seite, der inzwischen einen Schluck Kaffee getrunken hatte, »diese Stürme könnten nicht ganz spurlos an uns vorübergehen.«
    Bodling sah ihn von der Seite an, ohne auf die Bemerkung einzugehen. »Tatsache ist doch, Herr Schweizer, dass die Börse in Leipzig das Maß aller Dinge ist. Aber das muss ich Ihnen nicht erläutern.«
    Hasso Schweizer war Mitte 30 und zählte zu jenem Team, das ständig die Notierungen an der Strombörse verfolgte.
    Alle drei Teilnehmer des freitäglichen Gesprächskreises hatten schon
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