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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe
Autoren: Petra Hulova
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musste Ojuna auch jeden Tag die Messer so schärfen. Wer hat so was je gesehen. Ich spürte ein warmes Rieseln und guckte hin. Die Hand sah aus, als hätte sie etwas Böses angestellt und ich hätte sie dabei ertappt. Sie tat nicht weh. Als gehörte sie mir nicht. Einmal hatte ich mich im Winter in die Hand geschnitten. Das Blut rann wie ein Bach und erstarrte zu einem rosa Tropfstein. Es sah wie ein teurer Schmuck oder die lange Klaue einer Zauberin aus.
    Ojuna eilte sofort herbei. Sie war erschrocken. Wenn man Wodka auf Blut gießt, stinkt es nach den Fäusten eines Betrunkenen.
So endeten jene im Diwaadschin, die nicht zahlten. Die waren auch grau. Ohne Gesichter und voller Samen.
    Am Abend des dritten Tags fragten sie mich, wie lange ich hier sein würde. Ich sagte, ich wüsste es nicht, zog die Schuhe aus und überreichte Ojuna sämtliche Geldrollen. Spätabends entdeckte ich im linken Schuh noch weitere zehntausend Tugrik. Ich schlich mich in Ojunas Ger, wo alle schon schliefen, und legte unter jede Teeschale wie ein kleines buntes Deckchen eine Banknote.
    Am Morgen weckte mich abermals Ojunas Schreien auf.
    Die Hunde waren über die Säcke mit Eingeweiden hergefallen, die Najma am Abend hineinzutragen vergessen hatte. Im Gras lagen ausgezogene Därme, und ein Stück weiter weg winselten die geprügelten Hunde. Für so ein Erwachen würde ich Ojuna am liebsten auf einen Kamelhöcker setzen und das Tier anschreien, es solle laufen und nie mehr wiederkommen. Selig die Zeiten, als wir Ojuna mit der Hand das Maul stopfen konnten.
    Ich setzte mich aufs Bett und flocht die Haare zu zwei schmucken jugendlichen Zöpfen, die ich mit blauen Schleifen zuband. Auch ein altes Weib muss nicht immer abstoßend sein. Ich stürzte die Suppe hinunter und ging, um mich auf den Stein zu setzen.
    Dieser Stein war in der ganzen Gegend berühmt. Er war weit und breit der größte und wurde auch von allen betastet. Unten von den Fingerchen der Kleinen, die hinaufwollten, es aber ohne Anschieben nicht schaffen konnten, von Männern, die sich anlehnten, wenn sie einen Moment Zeit für eine Nachmittagszigarette fanden, von Frauen, die auf dem groben warmen Fels miteinander über ihre Kinder und Gatten tratschten. Er sah wie eine Schale aus. Man konnte nicht
leicht in ihn hineinkriechen, innen aber war eine Frau gut vor dem Wind und dem lästigen Staub geschützt. Und wenn sich zwei trafen und was Weiches unterlegten, konnten sie hier miteinander schlafen, und wäre jemand auch nur fünf Kuhschwänze weit entfernt gewesen, hätte er sie, wenn sie leise waren, nicht bemerkt.
    Ich umfing meine Knie mit den Armen und fühlte mich wie in einem Butterfass, wie in einem uneinnehmbaren Ger mit Ausblick. Ich werde nie mehr einen Mann auf mir spüren.
    Seine Kraft zwischen meinen Beinen und seine gierigen Lippen auf meinen Wangen. Wenn ich es mir herwünschen könnte, würde ich es gerne wenigstens noch einmal haben. Nur so zur Erinnerung. Zum Beispiel mit Bjamchu. Er muss jetzt noch älter sein als ich, und daher sollten ihm meine rissige Haut und die Wülste an den Hüften nicht so zuwider wie den Jungen sein. Als ich mich gestern Abend umzog, stürmte unverhofft Batdschar in mein Ger. Man konnte die Brüste, den Schoß, alles sehen. Es war nur ein kurzer Moment, aber als wir beim Abendessen saßen, nahm ich den Blick wahr, mit dem er mich ansah. Er hatte die Lippen geschürzt wie ein Hund vor verdorbenem Fleisch. Er entschuldigte sich nicht einmal bei mir.
    Dauernd spannt mich Ojuna für irgendwelche Arbeiten ein. Sie hat sie doch immer selbst bewältigt, ich weiß, dass sie keine Hilfe braucht. Das sagte ich ihr auch. Mein Geld liegt auf dem Tisch. Zu runden Bündeln gerollte Banknoten, die mir auch hier stolz zu sein erlauben. Ich zerschlug vier Schalen. Drei versehentlich und eine absichtlich. Ojuna kann ganze Nachmittage lang dasitzen und rechnen, wo man sie am billigsten bekommt. Sie plant sogar das Benzingeld ein, und dass billige Schalen nicht lange halten.

    Ich brauche nichts, als nur dazusitzen und mich aufzuwärmen, solange es Sommer ist. Ich bin wie aus Eis. Ich würde gerne einmal mit Najma reden. Doch er weicht mir aus. Ich nickte ihm dreimal zu, er solle mit mir zur Seite gehen, und er nickte drei Mal ablehnend zurück. Wenn ich etwas tue oder sage, misst er mich oft mit dieser seiner hochgezogenen Braue. Als ich etwa das Foto meiner Eltern zwischen zwei erhitzte Steine legte, um sie zu glätten, und den ganzen Tag daneben Wache
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