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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe
Autoren: Petra Hulova
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dem Ärmel zeigte, sagte sie stolz, sie stamme von ihrer Tante, einer längst toten Frau mit Glasauge. Ich wollte es auch so machen. Für jemanden etwas zum Vorzeigen anfertigen.
    Gestern stellte sich aber etwas heraus, was ich mir schon lange gedacht hatte. Ich ging zum Schalenstein, um mich hinzusetzen
und in die Sonne zu schauen, kam aber nicht ans Ziel. Batdschar hatte gesagt, er würde ins Zentrum fahren, es war aber gelogen. Er bewegte sich in der Steinschale mit einer Frau. Ich erkenne seinen Atem. Ab und zu guckte eine Hand oder die Rundung eines gebeugten Rückens über den Rand, und der Wind trug das Stöhnen einer Frau zu mir her. Auch Zula war den ganzen Tag weg.
    Abends kamen beide gemeinsam heim. Zulas Gesicht war rot angelaufen.
    Wenn eine Frau jemanden hat, muss es nicht zu merken sein. Sie geht ihrer Beschäftigung nach und trägt das Glück in ihrem Herzen. Wenn ein Mann jemanden hat, trompetet er das lautstark in alle Richtungen hinaus, schleppt Wodka für Trinksprüche an und ist aufgeblasen wie ein Hengst, der in der Herde zum Leithengst geworden ist. Genauso war Batdschar die ganze Zeit. Najma jedoch ist ständig schlecht gelaunt. Wenigstens mir gegenüber. Ich werde es nicht mehr mit ihm versuchen. Ich habe diesen Mann noch nie durchschaut.
    Wenn ein Mann ein kleines Kind ist, lernt er in seinem Ger alle erforderlichen Fertigkeiten.
    Er macht die Schule fertig im Zentrum, hat eine Frau, dann Kinder, und wenn ihm ein Sohn glückt, gibt er an ihn alles weiter, was er kennt. Dann stirbt er, und die Tiere fressen ihn. Auch Najma ist so. Aber nicht alle sind so. Papa zum Beispiel wusste, was es heißt, für Bastarde zu sorgen. Auf alle ihre dummen Kinderfragen zu antworten, aufzupassen, dass sie sich nicht um die Felsen herumtrieben, und ihnen das Pferd zu halten, damit es nicht durchging, wenn sie ungeschickt auf seinen Rücken kletterten. Papa wusste, was es heißt, eine Frau aus der Trauer zu prügeln. Ich sah einige Male seine Faust in Mamas Gesicht.

    Mergen wiederum wusste, was es heißt, gar nichts zu tun. Was es heißt, von jahrelangem Warten einen steifen Hintern zu haben. Was es heißt, einem Stuhl durch das Sitzen eine Mulde zu verpassen. Sogar Najmas eigener Sohn wusste etwas von dem, was Najma nie gewusst hat. Was es heißt, zu schweigen und zu lügen und heimlich einen Frauenschoß zu verwöhnen.
    Ich bin schon zu lange hier, als dass es Ojuna nicht allmählich jucken würde. Sie fragte mich nach meinen Plänen und was in der Stadt los sei. Sie kenne einen Mann, der in der kommenden Woche aus dem Zentrum in die Hauptstadt zu seinen Verwandten fahre. Sie könne mich mit ihm zusammenbringen. Ich sagte ihr, es gefiele mir hier. Die Stadt sei verrückt, und meine Angehörigen befänden sich schließlich hier. Das erste Mal lächelte sie ein wenig.
    Ich glaube, sie weiß, dass ich klug bin. Ich glaube, sie hat das Gefühl, dass es mir auch deswegen nicht besonders gut erging.
    Dass mein Leben nicht gelungen war, dessen ist sich meine Schwester sicher. Kann sein, dass sie es mir nicht einmal verübelt. Sie ist mit allem gleich fertig. Hat stets was zur Hand. Für Tiere wie für Menschen. Nur Zula und Tsetsegma sind einfach nicht aus dem Haus zu kriegen. Sie keift ständig mit ihnen. Sieht nicht, dass sie von Uuregma verhext sind. Fleißig, aber schrecklich anzusehen.
    Im Zentrum sagte einmal eine Frau zu mir, sie fühle sehr mit Ojuna und ich solle ihr das ausrichten. Doch sagt man so was einer Mutter von Kindern nicht. Dazu hat niemand das Recht. Und am wenigsten ihre Erliizschwester aus der Stadt.

    Die Tage gleichen einander. Nur das Gras ist gelb geworden, und die Tiere wechseln langsam das Sommerfell. Das Licht nimmt immer mehr ab, und der Schalenstein kann sich nicht einmal mehr während der Mittagszeit erwärmen. Die Roten Berge sind schon vor dem Abendessen gerötet von der untergehenden Sonne, und Najma kehrt erst in der Dunkelheit heim. Es ist Zeit, den Sommerdeel gegen einen Schafspelz zu tauschen. Meine Beine frieren, als wären sie nackt, und gestern habe ich in meinem Ger das erste Mal den ganzen Tag das Feuer brennen lassen.
    Wenn ich vor dem Ger sitze, fühle ich mich wie eine Khansprinzessin. Der Deel ist voll vom duftenden Wind und bauscht sich. Hier kenne ich alles. Die herrliche Steppe mit sich in alle Richtungen erstreckenden Buckeln. In meinem Rücken die einzigen Berge der alten Welt und jenseits von ihnen und Dutzenden ihnen ähnlichen unsere stolze Stadt.
    Was macht
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