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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste
Autoren: Patrick O'Brian
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muß bei Anwälten eine Berufskrankheit sein. Er sinnierte gerade über berufliche Entstellungen und über den zersetzenden Einfluß der Selbstgerechtigkeit bei Juristen, als ihm auffiel, daß Jack seine ursprünglich steife, aufrechte Haltung verloren hatte. Während die Formalitäten sich in die Länge zogen, wurde seine Lässigkeit immer auffälliger. Er wirkte mürrisch, seltsam still und gefährlich. Die leichte Vorwärtsneigung seines Kopfes und die trotzige Art, wie er die Beine von sich streckte, bildeten einen scharfen Kontrast zu seiner makellosen Uniform. Stephen überfiel eine starke Vorahnung von unmittelbar bevorstehendem Unheil.
    Der Ankläger brabbelte: »... Zu untersuchen das Verhalten von Kapitänleutnant John Aubrey, Kommandant der Slup Sophie , und ihrer Offiziere und Mannschaften, inwieweit es ursächlich war für den Verlust besagter Slup am Dritten dieses, erobert von einem französischen Geschwader unter Admiral Linois ...« Und Jacks Kopf sank noch tiefer. Wie weit ist man berechtigt, seine Freunde zu manipulieren? fragte sich Stephen, schrieb: Nichts würde H. größere Freude bereiten als ein Wutausbruch Ihrerseits vor Gericht in eine Ecke seiner Vorladung, faltete sie und gab sie dem Segelmeister, auf Jack deutend. Marshall reichte sie über Dalziel an Jack weiter. Der las sie mit gesenktem Kopf, wandte Stephen begriffsstutzig sein grimmiges Gesicht zu, richtete sich aber mit einem Ruck wieder auf.
    Gleich danach räusperte sich Charles Stirling, der dienstälteste Kapitän am Tisch, und sagte: »Captain Aubrey, bitte berichten Sie uns jetzt über die Umstände, die zum Verlust Ihrer Majestät Slup Sophie führten.«
    Jack erhob sich, musterte einmal scharf die Reihe seiner Richter, holte tief Atem und begann viel lauter als gewöhnlich zu sprechen — schnell, mit unnatürlichen Pausen und ungewohnter Betonung. In dieser indolenten, fast aufsässigen Diktion berichtete er so barsch, als hätte er lauter persönliche Feinde vor sich: »Gegen sechs Uhr am Morgen des Dritten befanden wir uns östlich von Kap Roig, als wir drei große Linienschiffe französischer Nationalität und eine Fregatte sichteten, die alsbald die Verfolgung der Sophie aufnahmen. Die Sophie stand zwischen der Küste und den Verfolgern in Luv der französischen Einheiten. Da der Wind schwach war, versuchten wir, unter Vollzeug und mit Langriemen den Luv-Vorteil zu halten. Nachdem wir aber feststellen mußten, daß die französischen Schiffe trotz aller Anstrengungen unsererseits sehr schnell aufholten, daß sie sich aufgefächert hatten und mit jeder Wende uns gegenüber an Raum gewannen, wurden gegen neun Uhr auf der Sophie die Kanonen und anderes Gewicht über Bord geworfen. Bei einer günstigen Gelegenheit, als das nächste französische Schiff fast querab von uns stand, drehten wir, setzten die Leesegel und durchbrachen die französische Formation. Doch abermals waren die Franzosen schneller als wir, obwohl sie auf ihre Leesegel verzichteten. Als das nächste Schiff bis auf Musketenreichweite herangekommen war, befahl ich gegen elf Uhr, die Flagge zu streichen, nachdem wir von mehreren feindlichen Breitseiten getroffen worden waren; zu der Zeit waren unsere Großbramstenge und die Fockbramrah weggeschossen sowie mehrere Stage gebrochen, und das Schiff war bei weiterhin östlichem Wind manövrierunfähig.«
    Damit klappte er, als sei er sich der Kargheit seiner Schilderung selbst bewußt, den Mund fest zu und starrte geradeaus vor sich hin, während die Feder des Protokollanten quietschend seinen Worten hinterhereilte. Als sie verstummte, trat eine Pause ein, in der sich der Vorsitzende nach links und rechts umblickte und kräftig räusperte, bevor er wieder zu sprechen anhob. Der Gerichtsschreiber zog schnell einen Kringel unter Jacks Aussage und schrieb hastig weiter mit.
    FRAGE: Captain Aubrey, können Sie irgendeinen Grund erkennen, weshalb Ihre Offiziere oder Ihre Mannschaftsgrade eine Mitschuld trifft?
    ANTWORT: Nein. Jede Person an Bord kämpfte mit höchstem Einsatz.
    FRAGE: Offiziere und Matrosen der Sophie , haben Sie irgendeinen Grund, Ihrem Kommandanten schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen?
    ANTWORT: Nein.
    »Die Beweisaufnahme beschränkt sich auf die Vernehmung des Zeugen Leutnant Alexander Dalziel«, sagte der Ankläger, und alsbald fanden sich die Offiziersanwärter, der Master und Stephen im Speiseraum wieder, wo sie stumm in verschiedenen Ecken Platz nahmen, während von der einen Seite das ferne
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