Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste
Autoren: Patrick O'Brian
Vom Netzwerk:
sich durch die Menschenmasse zu drängen, die Dundas umgab. Fünf Minuten später kämpfte er sich wieder ins Freie und rannte wie ein Schuljunge durch die Straßen der Stadt.
    »Stephen«, rief er und stürzte mit strahlendem, hochrotem Gesicht durch die Tür, »wir haben gesiegt! Kommen Sie sofort mit, und trinken Sie auf unseren Triumph! Freuen Sie sich mit mir über einen glorreichen Sieg, alter Junge«, ihm händeschüttelnd fast die Arme ausreißend, »über einen herrlichen Kampf.«
    »Wieso, was ist passiert?« fragte Stephen, wischte langsam sein Skalpell ab und deckte seine maurische Hyäne zu.
    »Kommen Sie, das erzähle ich Ihnen alles bei einem Glas Champagner.« Jack zerrte ihn auf die Straße hinaus, die vor schwatzenden, lachenden, schulterklopfenden und händeschüttelnden Menschen überquoll. Von der Neuen Mole unten drangen Jubelrufe zu ihnen herauf. »Los doch! Ich habe einen Durst wie Achilles, nein, wie Andromache. Keats ist der Held des Tages — Keats gebührt die Siegespalme ... Hier rein. Pedro, komm her! Bring uns Champagner ... Auf unseren Sieg! Auf Keats und die Superb ! Und auf Admiral Saumarez! Pedro, noch eine Flasche. Und noch einmal: Auf unseren Sieg! Keats lebe hoch, hoch, hoch! Hurra!«
    »Ich wäre Ihnen zu Dank verpflichtet, wenn Sie mich aufklären würden«, sagte Stephen. »In allen Einzelheiten.«
    »Die Einzelheiten weiß ich noch nicht«, rief Jack. »Hier nur das Wichtigste: Keats — erinnern Sie sich, wie wir ihn vorpreschen sahen? — Keats holte kurz vor Mitternacht die spanische Nachhut ein, die beiden Dreidecker. Er paßte den richtigen Moment ab und stürzte sich zwischen sie, mit seinen Breitseiten nach beiden Seiten feuernd — ein Vierundsiebziger gegen zwei Linienschiffe erster Klasse! Danach segelte er einfach geradeaus weiter, nur sein Pulverqualm blieb zwischen ihnen zurück, so dick wie Erbsensuppe. Und dahinein feuerten nun die beiden — beschossen sich gegenseitig! Gingen einander wie wild an die Kehle, bei der Dunkelheit — die Real Carlos und die Hermenegildo. Irgend jemand, die Superb oder die Hermenegildo , hatte die Fockmaststenge der Real Carlos getroffen, und es war ihr Fockbramsegel, das über die Kanonen fiel und Feuer fing. Nach einer Weile trieb die Real Carlos gegen die Hermenegildo und steckte auch sie in Brand. Das waren natürlich die beiden Explosionen, die wir sahen. Während sie brannten, war Keats weiter nach vorn geprescht und griff jetzt die San Antonio an, die anluvte und es ihm mit gleicher Münze heimzahlte. Aber nach einer halben Stunde mußte sie doch die Flagge streichen, verstehen Sie, denn die Superb feuerte drei Breitseiten ab, alle präzise gezielt, während die Spanier in derselben Zeit nur zwei schafften. Also nahm Keats sie in Besitz. Und der Rest des Geschwaders jagte den Feind mit Braßfahrt bei dem starken Wind nach Nordnordwest. Beinahe hätten die Unsrigen sogar die Formidable erwischt, aber sie konnte sich gerade noch nach Cadiz hinein flüchten. Und wir hätten fast die Venerable verloren, die entmastet auf Grund lief. Doch sie wurde freigeschleppt und ist jetzt unter Notrigg auf dem Heimweg, mit einer Leesegelspiere als Besanmast, hahaha ... Oh, da draußen gehen Dalziel und Marshall vorbei: Ahoi, Dalziel, ahoi! Marshall! Ahoi, ihr beiden! Kommt und trinkt mit uns auf den Sieg!«
    Die Pompée setzte das Flaggensignal; der Kanonenschuß dröhnte; die Kapitäne versammelten sich zur Sitzung des Kriegsgerichts.
    Der Anlaß verlangte feierlichen Ernst. Trotz des strahlend schönen Wetters, des überbordenden Frohsinns an Land und der tiefen Genugtuung an Bord des Flaggschiffs verdrängte jeder Seniorkapitän seine Siegesfreude und trat würdevoll wie ein Richter durch die Seitenpforte, wo er mit geziemendem Zeremoniell empfangen und vom Ersten Offizier in die große Achterkajüte geleitet wurde.
    Jack war natürlich schon an Bord, aber sein Fall stand nicht als erster auf der Tagesordnung. Im abgeschirmten Backbordteil des Speiseraums wartete ein gehetzt wirkender Kaplan, schritt nervös auf und ab, führte gelegentlich Selbstgespräche und rang die Hände. Es war mitleiderregend, wie sorgfältig er sich gekleidet und bis aufs Blut rasiert hatte; denn wenn nur die Hälfte von dem stimmte, was über seine Verfehlungen berichtet wurde, gab es für ihn nicht die geringste Hoffnung. Sowie der nächste Kanonenschuß krachte, führte der Profoß den Kaplan hinaus, und nun entstand eine Pause, eine jener großen Lücken, in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher