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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues
Autoren: Marlene Bach
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anders gelaufen.
Dann wäre sie noch am Leben.
    »Wissen Sie was?« Rinkner sah sie an. »Kümmern Sie sich um Ihren
eigenen Dreck.«
    Für einen Moment war Maria sprachlos. Aber was hatte sie eigentlich
erwartet?
    Es war egal, was sie sagte, sie würde ihn nicht erreichen.
    Sie ging, war froh, als sie wieder auf dem Flur stand.
    Ein Mann, der sich aufgegeben hatte, eingekerkert in sich selbst.
Der seine Gefühle nur zeigen konnte, wenn er betrunken war. Ein Kind, das sich
für seinen Vater verantwortlich fühlte und sich gleichzeitig nichts sehnlicher
wünschte, als davon frei zu sein.
    Auch damit hatte Alsberger von Anfang an recht gehabt: Was zwischen
Rinkner und Lea gewesen war, das war der Grund für alles, was geschehen war.
Für Leas Kurpfalzblues und ihre Sehnsucht nach einem Neuanfang.
    Ihr sensibler Assistent hatte ein gutes Gespür für das Wesentliche.
Nur gut, dass er ihr erhalten blieb.
    Als sie aus der Klinik herauskam, hatte Maria den Eindruck, der
Geruch von Desinfektionsmitteln und Krankheit hinge wie eine Wolke über ihr.
Sie brauchte dringend frische Luft.
    Sie ließ den Wagen stehen und ging mit raschen Schritten los. Mit
jedem Meter, den sie sich von dem Gebäude und dem versteinerten Riesen
entfernte, konnte sie freier atmen. Sie lief durch die Straßen, weiter und
weiter, bis sie in Neuenheim vor dem Schild stand, das hoch zum Philosophenweg
wies. Wie eine Aufforderung: Hier lang!
    Schnaufend kämpfte sie sich den Hang hoch, vorbei am Physikalischen
Institut, an den alten Villen und efeuberankten Sandsteinmauern bis zur
weiß-rot gestreiften Schranke. Als sie auf der Höhe ankam, schwitzte sie, dass
ihr das Wasser die Schläfen hinunterlief.
    Sie holte sich am Kiosk etwas zu trinken, dann ging sie die Stufen
hinunter zur Parkanlage, in der Eichendorff auf seinem Gedenkstein milde vor
sich hin lächelte. Eine der Bänke war frei.
    Warm war es hier oben noch. Und mit den Palmen neben sich hatte
Maria fast den Eindruck, als säße sie irgendwo in einem Garten in Italien.
    Wo Cloe jetzt wohl steckte? Auch unter Palmen? Thailand? Australien?
    Maria hatte nach ihr fahnden lassen, aber wahrscheinlich war sie mit
ihrem Rucksack voller Geld längst über alle Berge.
    Karel Lindnar war auf jeden Fall noch in der Psychiatrie. Er hatte
ihr ein Gedicht geschickt, es war am Morgen in ihrer E-Mail gewesen.
    Als sie es las, schien es zunächst so, als habe er wieder in die
Realität zurückgefunden. Bis sie gesehen hatte, was darunter stand: »Der neue
Dichterfürst: Karel Freiherr von Lindendorff«. Da würde er wohl doch noch ein
Weilchen in der Klinik bleiben müssen.
    Maria ließ ihren Blick schweifen. Der Aufstieg hatte sich gelohnt.
Am Himmel schwebten dicke Wolkenkissen, zwischen denen immer wieder ein
strahlend helles Blau zum Vorschein kam. In der Tiefe unter ihr der Neckar,
überspannt von den steinernen Bögen der Alten Brücke. Am Hang auf halber Höhe
die Schlossruine mit ihren rötlichen Mauern.
    Die Stadt da unten hatte sie alle angezogen. Die Dichter und Denker.
    Arthur hatte ihr inzwischen erzählt, wie es mit Eichendorff
weitergegangen war. Schon ein Jahr nachdem er Heidelberg verlassen hatte, hatte
er sich verlobt. Eine Ehe, die vierzig Jahre dauern sollte, bis zum Tod seiner
Frau.
    Katharina Barbara Förster aber, seine Heidelberger Liebe, war in der
Stadt geblieben. Sie hatte da unten in einer der kleinen Gassen als Kellnerin
gearbeitet und war mit Ende vierzig gestorben. Unverheiratet.
    Maria hatte inzwischen so ihre Zweifel, wer damals wem das Herz
gebrochen hatte. Ob Katharina Förster Eichendorff vermisst hatte? Ob sie
Sehnsucht nach ihm gehabt hatte?
    Maria auf jeden Fall hatte Sehnsucht.
    Manchmal mussten Menschen wohl erst weggehen, damit man spüren
konnte, was sie einem bedeuteten.
    Das mit Jörg war eine Schwärmerei gewesen, mehr nicht. Es hatte sich
in dem Moment erledigt, als es hätte ernst werden können. Das mit Arno, das war
etwas anderes, das war mehr. So viel mehr, dass sie vor lauter Panik hatte
davonlaufen wollen.
    Sie hatte gestern Abend lange mit Arthur darüber gesprochen. Danach
war Arthur überzeugt gewesen, sie sei wohl doch eine von den Komplizierten.
Dafür hatte Maria ihm vorgeworfen, er sei inkonsequent. Er hatte nämlich die
Schüssel Tiramisu, die es zum Nachtisch gab, fast allein leer gegessen.
    Kontrollierter Genuss sei bei seiner Diät jederzeit erlaubt, hatte
Arthur behauptet und ihr lang und breit erklärt, wie er die abendliche
Schlemmerei mit
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