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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues
Autoren: Marlene Bach
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nie
wieder loszulassen.
    »Nein.«
    Sie blieb schweigend im Türrahmen stehen, wartete darauf, dass er
etwas sagte. Er schwieg.
    »Und wer ruft dich dann mitten in der Nacht an?«, fragte sie
schließlich.
    Brander seufzte, nippte an seinem Glas. »Daniel.«
    »Daniel?« Sie kam ein paar Schritte in den Raum. »Ist etwas
passiert? Ist was mit Julian?«
    Der Sohn von Branders Bruder Daniel hatte eine Zeit lang sehr über
die Stränge geschlagen.
    »Nein.«
    Jetzt war es Cecilia, die laut seufzte. Sie legte den Kopf zur
Seite. Er meinte zu erkennen, dass sie blinzelte, um sein Gesicht im matten
Licht besser sehen zu können.
    »Andi, ich bin müde und muss morgen früh raus. Dein Bruder ruft dich
mitten in der Nacht an, und dann setzt du dich allein ins dunkle Wohnzimmer und
trinkst Whisky. Irgendetwas muss doch passiert sein!«
    »Babs …« Er stockte, spürte einen harten Kloß im Hals. Er räusperte
sich, suchte nach den richtigen Worten. Wie etwas sagen, was man noch nicht
begriffen hatte? »Babs liegt im Krankenhaus. Sie kommt vielleicht nicht durch.
Sie …«
    »Um Gottes willen.« In wenigen Schritten war Cecilia bei ihm, setzte
sich zu ihm auf das Sofa.
    Er fühlte ihre kühle Haut durch sein T-Shirt. Sie hätte den
Morgenmantel überziehen sollen, dachte Brander. Er legte den Arm um ihre
Schultern, zog sie fest an sich, wollte sie wärmen, wollte sie bei sich wissen.
Sicher und geborgen.
    »Was ist denn passiert?«, fragte Cecilia nach einer Weile. Sie
strich sich eine Strähne ihres langen Ponys aus dem Gesicht und sah zu ihm.
    »Sie … sie hat versucht, sich das Leben zu nehmen.« Es tat weh,
diesen Satz auszusprechen. Seit mehr als zwanzig Jahren kannte er seine Schwägerin.
Eine fröhliche Frau. Eine Frau, die das Leben anpackte. Eine Frau, die sich
nicht so leicht unterkriegen ließ. Hatte er zumindest immer gedacht. »Ich …« Er
schüttelte den Kopf, konnte es einfach nicht fassen. »Julian hat sie gefunden.«
    Er spürte, wie sich Cecilias Körper verspannte. Er zog sie noch
enger an sich, kippte den Rest des Whiskys in sich hinein.
    »Warum?«, fragte Cecilia nach einer Weile.
    »Ich weiß es nicht.« Daniel hatte nicht viel erzählt. Hatte nicht
viel erzählen können. Die meiste Zeit hatte er geweint.
    »Willst du nach Düsseldorf fahren?«
    Brander schüttelte leicht den Kopf. »Daniel will nicht, dass ich
komme.« Noch etwas, das er nicht verstand. »Er hat unsere Eltern angerufen. Sie
fahren morgen zu ihm und kümmern sich um Julian.«
    »Warum will er nicht, dass du kommst?«, wunderte sich Cecilia.
    »Ich weiß es nicht.« Brander hatte das Gefühl, diesen Satz nicht
mehr ertragen zu können. Er stellte das Glas auf den Couchtisch, wollte nach
der Flasche greifen, als erneut das Telefon klingelte. Ohne aufs Display zu
schauen, griff er nach dem Apparat, nahm das Gespräch entgegen.
    »Daniel?«
    »Ähm … nein … Polizeidirektion Tübingen, Sabrina Wilke. Andi, bist
du das?«, hörte er die verdutzte Stimme der Kollegin aus der Zentrale.
    »Ja, ‘tschuldige.« Brander atmete durch, versuchte, sich zu sammeln.
Profi sein. »Was gibt’s?«
    »Wir haben einen Toten. Der Mann wurde vermutlich zusammengeschlagen
und verstarb kurz darauf im Krankenhaus«, erklärte ihm die Kollegin knapp.
    Brander schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Warum
jetzt? Warum ausgerechnet jetzt? Er hatte andere Sorgen. »Ist es notwendig,
dass ich rauskomme?«
    »Du bist der leitende Beamte.«
    Das wusste er selbst. Er seufzte leise. Er wollte jetzt nicht zum
Dienst, wollte sich nicht um fremde Probleme kümmern, auch nicht um fremde
Tote. Seine Familie brauchte ihn, sein Bruder, seine Schwägerin und sicher ganz
besonders sein Neffe. Was mochte in dem Jungen jetzt vorgehen?
    »Tut mir leid«, bedauerte Sabrina ihren Anruf. »Soll ich …?«
    »Nein, schon gut.« Ein Mann war tot. Er hatte Bereitschaft und würde
in dieser Nacht sowieso keinen Schlaf mehr finden. »Ich brauche ein paar
Minuten. Ruf Peppi an. Die ist schneller da.«
    Vielleicht war der Fall schnell erledigt, wenn nicht, konnte er
versuchen, ihn am nächsten Morgen an einen Kollegen abzugeben. Es würde ihn
jetzt zumindest von stundenlangen, sinnlosen Grübeleien abhalten. Im Moment gab
es nichts, was er für seinen Bruder und dessen Familie tun konnte. Er wusste,
dass er sich selbst belog, dass er sich aus einer Verantwortung stahl.
    »Wie viel hast du schon getrunken?«, fragte Cecilia, nachdem er
aufgelegt hatte.
    »Nur einen
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