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Kunstblut (German Edition)

Kunstblut (German Edition)

Titel: Kunstblut (German Edition)
Autoren: Martin Schüller
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diskret.
    Ich nahm noch einen Schluck und freute mich auf die nächste Nachricht. Es war Wolter.
    »Hier ist Siewissenschon. Meine Freunde hier haben mich hängen lassen. Ich brauche Ihre Hilfe. Ich zahle Ihren Satz … irgendwie. Sie hören von mir.«
    Der Anruf war um halb neun gekommen, etwa zu dem Zeitpunkt, als ich Fahrenbachs Büro betreten hatte. Ich drückte die Rücklauftaste und hörte die Nachricht ein zweites und drittes Mal ab. Wolter klang nervös, gehetzt fast. Die Hintergrundgeräusche ließen auf ein Telefon in einer Hotelhalle schließen. Ich war nicht überrascht. Wer kann sich schon auf seine Freunde verlassen, wenn er auf einmal überraschend vorbeigeschneit kommt mit der Bitte, ihn vor den Bullen zu verstecken, weil die ihn dummerweise wegen Mordes suchen?
    Ich war mir keineswegs sicher, was zu tun war. Von Rechts wegen musste ich sofort Fahrenbach informieren. Von Rechts wegen. Meine Überlegungen wurden von der letzten Nachricht unterbrochen.
    »Wolter hat keine Chance, und du auch nicht, wenn du dummes Zeug redest«, sagte eine Stimme, die klang, als sei sie elektronisch erzeugt. Das war alles. Ich hörte auch diese Aufnahme mehrfach an, aber sie gab nichts weiter her als die Gewissheit, dass Wolter unschuldig war. Der Anruf war gekommen wenige Minuten bevor ich die Wohnung betreten hatte.
    Ich ging zum CD -Spieler und legte Ulla van Daelens »Surprise« ein. Dann holte ich die Flasche Calvados aus der Bar, ließ mich ins Sofa sinken, platzierte die Füße auf dem Acryltisch und zog das Telefon zu mir heran. Die Harfe perlte aus den Lautsprechern und bewies einmal mehr, wie gewaltig der Unterschied zwischen Schönheit und Kitsch ist. Ich legte den Kopf in den Nacken und sah zu den Sternen hinauf, die hinter dem Atelierfenster in der Dachschräge hoch über mir funkelten. Gemeinsam warteten der Calvados und ich auf den nächsten Anruf.
    Er kam von der Freifrau. Ich ließ den Anrufbeantworter anspringen, aber sie sprach nicht drauf. Ich suchte nach einer möglichst bequemen Position, das Rolf-Benz-Sofa gab mir die Qual der Wahl.
    Ich begann gerade ein wenig einzuduseln, als das Telefon erneut Laut gab. Die angezeigte Nummer war aus Düsseldorf, mir aber unbekannt.
    Ich nahm ab.
    Am anderen Ende herrschte Schweigen, untermalt von nervösem Atmen.
    »Nur Mut«, sagte ich.
    »Herr Kant?«, fragte eine unsichere Frauenstimme. »Jo Kant?«
    »Genau der. Frau Wolter?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Tut nichts zur Sache. Wir sollten es kurz machen. Wo sind Sie?«
    Sie zögerte. »Zu Hause.«
    »Wo ist das?«
    »In Benrath.«
    Ich sah kurz zur Uhr. »Kommen Sie ins ›Mühlhaus‹. In dreißig Minuten«, sagte ich und legte auf.
    * * *
    Ich schob die Vorhänge ein wenig beiseite und warf einen Blick auf die Straße. Gegenüber stand ein Mondeo in zweiter Reihe. Durch die Windschutzscheibe sah ich zwei Zigaretten glühen. Fahrenbach ließ auf mich aufpassen. Hoffentlich war es Fahrenbach. Ich rief mir ein Taxi in die Markgrafenstraße, ließ das Licht an und verließ das Haus auf dem üblichen Weg hinten raus: Es war nur eine niedrige Mauer zwischen dem kleinen Garten unseres Hauses und dem des benachbarten, dessen Gittertür zur Parallelstraße ging. Ich musste nur dreißig Sekunden auf das Taxi warten. Am Steuer saß ein vielleicht fünfzigjähriger Asiate, Koreaner vermutlich.
    »Nach Benrath«, sagte ich.
    Er stieß den Wagen zügig und geschickt zurück in die Wildenbruchstraße und fuhr den besten Weg durch die Stadt.
    »Interesse an ‘nem bisschen was extra?«, fragte ich.
    Er sah mich mäßig begeistert an. »Worum geht’s?«
    »Taxi fahren und weghören.«
    »Sind meine beiden Hobbys«, sagte er.
    Wir kamen frühzeitig am »Mühlhaus« an. Ich zog einen Fünfziger heraus, riss ihn in der Mitte durch und gab ihm eine Hälfte. »Fahren Sie um die Ecke in die Sackgasse und warten Sie da«, sagte ich und stieg aus. Ich stellte mich in den Schatten unter einen Baum, schräg gegenüber dem Lokal. Nach fünf Minuten hielt ein weiteres Taxi, und eine goldmähnige Frau in einem Pelzmantel stieg aus. Ihre Absätze klickerten eilig über den Bürgersteig, und sie verschwand in der Tür des »Mühlhaus«. Ein silbergrauer Vectra rollte vorüber und hielt etwa zwanzig Meter entfernt in zweiter Reihe. Niemand stieg aus.
    Ich legte eine unbenutzte Pre-Paid-Karte in mein Handy ein. Sie gab ihm eine neue, anonyme Rufnummer, die nicht ohne weiteres mir zuzuordnen war. In Fällen mit einem so wenig
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