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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels
Autoren: C Harbach
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ziemlich sicher, dass er ihnen folgt. Wir kommunizieren offen miteinander,
wie erwachsene Menschen. Und ich bin mir im Klaren darüber, dass es die
Erfahrung von Grund auf verändern würde, wenn ich mitführe.«
    Henry, der begriff, wer er war, wenn auch sonst nicht viel, nickte
nachdenklich.
    »Nicht dass ich
überhaupt mitfahren wollte , wohlgemerkt. Das will ich
wirklich nicht. Was ich auch ganz offen gesagt habe. Und ich finde es gut, dass
er so ehrlich ist in Bezug auf das, was er in dieser Lebensphase möchte. Wir
sind beide jung, sagt er, und darüber lässt sich nicht streiten. Und dennoch
stört es mich. Aus zwei Gründen. Beides leider Gottes Anzeichen meiner
antiquierten Sentimentalität und grundsätzlichen Untauglichkeit für das moderne
Leben. Der erste ist, dass seine Familie dort ist, seine Eltern, sein Bruder,
seine Schwester. Er hat gestern mit ihnen zu Abend gegessen. Kannst du dir das
vorstellen, vier andere Menschen, die so aussehen und
sich verhalten? Ich würde sie gern kennenlernen, das gebe ich zu. Ich möchte
sie sogar ziemlich dringend kennenlernen. Das hört sich vielleicht etwas
peinlich an, wir kennen uns ja erst seit sieben … seit sechs Wochen. Mein Gott,
sechs Wochen. Ich bin so erbärmlich. Aber ich weiß genau, wenn meine Mutter in
der Nähe leben würde, hätte ich die beiden längst zusammen in einen Raum
gepfercht, nur zu meinem eigenen billigen Vergnügen. Verstehst du?«
    Henry nickte wieder und
belud seinen Teller mit Pfannkuchen.
    »Du solltest nicht so
viel Mehl essen«, sagte Owen und nahm selbst einen einzigen Pfannkuchen.
»Selbst wenn ich bekifft bin, esse ich nicht viel Mehl. Der andere Grund ist natürlich,
dass ich überzeugter Monogamist bin. Wenn nicht in der Theorie, dann zumindest
in der Praxis. Ich bin machtlos dagegen. Erkenne ich die repressive, regressive
Natur sexueller Exklusivität an? Ja. Wünsche ich mir für mich selbst nichts so
sehr wie diese Exklusivität? Ebenfalls Ja. Es gibt sicherlich eine Möglichkeit,
das nicht als Paradox zu begreifen. Vielleicht glaube ich aber auch einfach an
die Liebe. Vielleicht sehne ich mich auch einfach nur nach der Bestätigung
meiner Mutter. Warte mal kurz.« Owen lief zurück zu dem Buffet mit den warmen
Speisen und schaufelte vier weitere Pfannkuchen auf seinen Teller.
»Entschuldige, dass ich dich so zutexte, Henry. Ich glaube, ich bin total
bekifft.«
    Nach dem Brunch gingen
sie in den Studentenclub, um Tischtennis zu spielen. Owen entpuppte sich selbst
in total bekifftem Zustand als überraschend guter Spieler. Seine Bewegungen
waren vorsichtig, aber er verfehlte nicht ein einziges Mal die Platte, und
Henry, der es hasste, beim Tischtennis zu verlieren, hetzte hin und her, ächzte
und schwitzte, um die Führung zu halten. Währenddessen redete Owen in einem
fort über Liebe und Jason und die Widersprüche der Monogamie, achtete dabei
scheinbar nicht auf das Spiel und produzierte trotzdem geschickt angeschnittene
Stoppbälle, nach denen sich Henry quer über die Platte strecken musste. Ab und
zu warf Henry einen Kommentar ein, um zu zeigen, dass er zuhörte und
interessiert war, doch für ihn war Monogamie weniger ein Widerspruch als
vielmehr ein funkelndes, potentiell unerreichbares Ziel, der Gegenentwurf zur
eigenen Jungfräulichkeit, weshalb er seine Kommentare vage hielt. Die
Unerfahrenheit hatte ihn in der Highschool nicht besonders gestört – er war
schließlich erst siebzehn –, aber hier in Westish, wo sich alle so mondän
gaben, vom Alter einmal ganz abgesehen, hatte sie sich schon jetzt als ein
seltenes Leiden entpuppt, mit dem es sich wohl leben ließ, das einzugestehen
allerdings peinlich, das zu heilen schwierig gewesen wäre.
    Trotzdem war es schön,
sich zu bewegen, zu spielen, und bald trug Henry nur noch sein T-Shirt, und der
Schweiß lief ihm nur so herunter. Nach jedem Spiel war er sich sicher, dass
Owen den Schläger zur Seite legen würde – er sah leicht gelangweilt aus –, aber
Owen, die hohe Stirn trocken, den Pullover noch immer über dem Schlafanzug,
murmelte bloß »Nicht schlecht, Henry« und servierte eine weitere butterweiche
Angabe.
    Sie spielten, bis
Essenszeit war, und kehrten danach in den Club zurück, um die World Series
anzusehen, wobei sich Henry weit vorbeugte, um die Bewegungsabläufe des
Shortstops zu verfolgen, während Owen sich mit einem aufgeschlagenen Buch auf
die Couch fläzte. Ab und an zog Owen, von einem trüben Gedanken aufgescheucht,
sein Telefon heraus,
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