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Kullmann

Kullmann

Titel: Kullmann
Autoren: Elke Schwab
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Einzige, was Anke von Peter Biehler wahrnahm, war, dass er Helmut Keller, einem Turnierreiter, in die Quere geritten war, so dass dieser sein Pferd hastig herumreißen musste, um nicht mit Peters Schimmel zusammenzustoßen. Helmut Keller fiel Anke gelegentlich auf, wie er gekonnt seine Pferde trainierte. Seine reiterlichen Fähigkeiten waren in ihren Augen bewundernswert. Insgeheim wünschte Anke sich, wie Helmut Keller auf dem Pferd sitzen zu können. Gerne schaute sie ihm beim Reiten zu, weil sie glaubte, allein vom Zugucken eine Menge von ihm lernen zu können.
    »Du Idiot!«, schrie Helmut Keller wütend, womit er Anke ganz unsanft aus ihren Gedanken riss. »Auf dem Außenplatz gelten dieselben Bahnregeln wie in der Halle. Aber wahrscheinlich kennst du die noch gar nicht!«
    Peter Biehler lachte nur gehässig und galoppierte gerade zum Trotz noch einmal besonders dicht an Helmut Kellers Pferd vorbei.
    »Du kannst wohl nicht anders: immer nur Scheiße bauen und anderen in die Quere reiten?«
    »Das musst du gerade sagen! Wer hat denn hier die große Scheiße gebaut?«, lachte Peter Biehler so zynisch, dass es Anke eiskalt den Rücken herunter lief. Boshaftigkeit schwang in seinem Tonfall mit.
    »Glaub nicht, dass du mir drohen kannst«, erwiderte Helmut Keller nicht weniger feindselig, doch Peter Biehler lachte nur überheblich, erwiderte aber nichts mehr.
    Vorsichtig im Schritt ritt Anke ganz am Rand des Platzes entlang, um sich von diesen beiden Streithähnen fernzuhalten. Aber schon nach kurzer Zeit rief die Reitlehrerin Anke zu sich und meinte, dass sie sich der Abteilung anschließen sollte, weil sie ihre Reitschüler nicht korrigieren könnte, wenn sie alle durcheinander ritten. Anke nickte und ritt los.
    Völlig konzentriert begann Anke mit den Übungen, die die Reitlehrerin ihr auftrug. Die Rittigkeit des Pferdes zu erlangen, war das Grundprinzip des Reitens, was nur durch gymnastizierende Übungen, wie Schenkelweichen oder Tempowechsel zu erreichen war. Anke spürte, dass ihre Arbeit Erfolg hatte, weil Rondos verkrampfter Rücken sich entspannte. Er begann zufrieden an seinem Gebiss zu kauen, das direkt mit den Zügeln verbunden war, die Anke in beiden Händen hielt und mit denen sie ihre Paraden gab, von denen die Reitlehrerin immer wieder sprach.
    Doch plötzlich sah sie ganz dicht vor ihrem Pferd den großen Schimmel von Peter Biehler, der gerade im Begriff war, das Hindernis anzureiten, das in der Mitte der Bahn stand. Er war direkt vor ihr abgebogen, so dass er ihrem Pferd den Weg abschnitt. Rondo erschrak so sehr, dass er zuerst einen heftigen Satz zur Seite machte und anschließend wilde Bocksprünge veranstaltete. Lange Zeit gelang es Anke, sich im Sattel zu halten, doch dann ließ die Kraft nach und mit aller Wucht fiel sie zu Boden.
    Zuerst sah sie nichts mehr, ihr war schwarz vor den Augen. Dann glaubte sie, ersticken zu müssen.
    Sie bekam keine Luft mehr! Nach Atem ringend wälzte sie sich im Sand, bis Robert zu ihr gelaufen kam, sie auf den Rücken legte und sie in dieser Stellung auf den Boden lagerte.
    »Ganz ruhig, Anke. Bleib so liegen, die Luft kommt wieder«, sprach er auf sie ein.
    Und er hatte Recht. Plötzlich war der Krampf wieder verschwunden, und gierig atmete Anke ein.
    »Mein Gott, was war das?«, fragte sie, als sie endlich wieder sprechen konnte.
    »Das war einfach nur eine Verkrampfung der Brustmuskulatur. Das passiert schon mal bei einem heftigen Sturz. Da bist du keine Ausnahme. Hoffentlich ist sonst nichts passiert«, erklärte Robert mit seiner ruhigen Stimme, die Anke so angenehm empfand.
    Er half ihr beim Aufstehen und beobachtete sie aufmerksam, um erkennen zu können, ob sie sich irgendeine Verletzung an den Knochen zugezogen hätte. Dankend lächelte Anke ihn an und versicherte ihm, dass es ihr gut ging. Erst als er diese Gewissheit hatte, entfernte er sich einige Meter von ihr, weil er der Reitlehrerin Platz machen wollte, die auf die beiden zukam. Genau in diesem Augenblick kam Peter von hinten auf Robert zugeritten und rief mit einer überlauten Stimme: »Verschwinde vom Platz, du Erbschleicher. Du störst hier!«
    Verwirrt schaute Anke auf Peter, dessen Gesicht hasserfüllt war. Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Legte Peter sich hier im Stall mit jedem an, koste es, was es wolle?
    Über diese Frage konnte sie jedoch nicht lange nachdenken, weil die Reitlehrerin sich zu ihr gesellte. Sie führte Rondo neben sich her, der ganz geduldig aussah, als wäre nichts
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