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Kullmann

Kullmann

Titel: Kullmann
Autoren: Elke Schwab
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grinste Kullmann und meinte: »Sie merken auch alles!«
    »Ich bin bei Ihnen durch eine gute Schule gegangen!«
    »Ja, und meine Bemühungen waren wirklich nicht umsonst!«
    »Weichen Sie mir nicht aus«, erinnerte Anke ihren Chef wieder an ihre Frage, so dass Kullmann nun endlich zum Thema kam: »Ich bin im Fall Luise Spengler einen Schritt weitergekommen. Die Anwaltskanzlei der Familie Spengler hieß früher »Otto Klein und Söhne«. Diese Kanzlei gibt es nicht mehr, weil Otto Klein inzwischen verstorben ist. Aber durch meine Recherchen habe ich endlich herausgefunden, dass die sogenannten Söhne alle Schwiegersöhne sind, weil Otto Klein keine Söhne, sondern nur Töchter hatte. Die Kanzlei heißt nun »Klose & Partner«. Also bin ich auf Verdacht zu dieser Kanzlei gegangen und habe dort den Anwalt Bertram Klose angetroffen, einen der Schwiegersöhne. Bertram Klose hatte Luise Spengler als seine Mandantin vertreten. Mit ihm habe ich heute gesprochen!«
    Anke stutzte: »Wie kann dieser Anwalt uns weiterhelfen?«
    »Ganz einfach: Luise Spengler hatte die Scheidung eingereicht!«
    »Und das soll ein Motiv für einen Mord sein?«
    Kullmann kratzte sich am Kinn und meinte nachdenklich: »Luise kam aus einer sehr reichen Familie. Geld war schon immer ein Mordmotiv!«
    »Im Fall einer Scheidung bekommt der Ehemann aber auch ein gutes Stück vom Kuchen«, überlegte Anke weiterhin skeptisch. »Glauben Sie, dass Kurt Spengler so gierig war und sich damit nicht abfinden wollte?«
    »Nein, ich habe von Anwalt Klose erfahren, dass Luises Vater bei der Eheschließung auf einen Ehevertrag bestanden hatte, nämlich Gütertrennung!«
    »Oh!«, stutzte Anke. »Aber Kurt Spengler ist Bankdirektor einer der größten Banken des Saarlandes. Er verdient doch weiß Gott genug!«
    »Ja, das ist noch der einzige Haken an meiner Theorie. Aber ich habe das Gefühl, auf eine verdammt gute Spur gestoßen zu sein.«
    Wieder staunte Anke über Kullmanns Hartnäckigkeit in diesem Fall. Bevor sie in den Feierabend ging, fragte sie, was sie schon lange beschäftigte: »Wer war Luise Spengler wirklich?«
    »Wie sagt man unter Reitern: Ein dreifaches Horrido!«, lenkte Kullmann einfach ab; Anke verstand den Wink sofort.
    Als sie die Tür zu Kullmanns Büro hinter sich geschlossen hatte und durch den Flur ging, der inzwischen sehr verlassen wirkte, begegnete ihr Esche. Er war tadellos gekleidet, trug einen Anzug von Carlo Colucci. Wenn Anke sich nicht täuschte, benutzte er auch das Parfüm dieser hochwertigen Marke. Aber sie verspürte kein Bedürfnis, ihre Eindrücke zu überprüfen. Bei Esche hatte sie ohnehin schon Mühe genug, ihn auf Distanz zu halten. Seine Annäherungsversuche verlangten Ankes volle Aufmerksamkeit. Esche war vor zwei Jahren in ihre Abteilung gekommen und hatte sich durch seine Fahndungserfolge in der kurzen Zeit einen unheimlich guten Ruf verschafft. Nur ihm war es gelungen, einen Kindermord in Merzig aufzuklären, an dem alle Kollegen wie besessen gearbeitet hatten, weil keiner von dieser schrecklichen Tragödie unberührt geblieben war. Aber Esche war kaum in die Abteilung versetzt worden, schon hatte er den entscheidenden Beweis gefunden, der zur Lösung des Falles beigetragen hatte. Sogar Kullmann hatte sich mit seinen Ermittlungen festgefahren und war heilfroh, dass es dem Neuen gelungen war, diesem Albtraum ein Ende zu setzen. Deshalb schätzte er ihn sehr, was er auch oft zum Ausdruck brachte. Anke konnte das nicht nachempfinden. Seit Esche in der gleichen Abteilung wie sie arbeitete, ließ er keine Gelegenheit aus, sich an sie heranzuschleichen oder ihr frivole Angebote zu machen. Sie fühlte sich in seiner Nähe nicht wohl und schon gar nicht, wenn sie ihm allein begegnete. Aber sie wusste, dass sie mit ihrer Antipathie gegen ihn alleine in dieser Abteilung war, denn Esche war beliebt bei den Kollegen. Außerdem sah er sehr gut aus, was sein ohnehin starkes Selbstbewusstsein nur bestätigte. Diese Vorzüge setzte er geschickt ein. Keine Gelegenheit ließ er aus, Anke seine Selbstzufriedenheit zu zeigen, was sie ärgerte; sie fand sein Gehabe zum Kotzen. Was sie aber ganz besonders ärgerte, war, dass er in ihr keine ebenbürtige Arbeitskollegin sah, sondern nur eine Frau. Frauen hatten in seiner hierarchischen Vorstellung keine Berechtigung auf Gleichstellung. Seine chauvinistische Einstellung war unübersehbar, Anke lehnte seine herablassende Haltung als entwürdigend ab. Aber damit musste sie sich arrangieren,
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