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Küstenfilz

Küstenfilz

Titel: Küstenfilz
Autoren: H Nygaard
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griff instinktiv zum Haltegriff, als Lüder nach
einem Überholmanöver wieder einscherte. Die Lindaunis-Klappbrücke war natürlich
oben gewesen, damit die gemächlich dahintreibenden Segelschiffe passieren
konnten, und kostbare Minuten waren verstrichen. Jetzt steuerte Lüder
Eckernförde an. Von dort ging es zügig auf der gut ausgebauten Bundesstraße bis
in die Landeshauptstadt.
    »Ihr Sohn erwähnte, dass Sie sich um Geschäfte kümmern
würden, die nichts mit dem Hof zu tun hätten.«
    »Geschäfte! Das ist zu weit gegriffen. Ich verwalte
das Geld, das unsere Familie im Laufe der Jahre hart erarbeitet hat. Der Junge
kümmert sich um den Hof. Das macht er erfolgreich, sodass ich mich daraus
komplett zurückziehen konnte.«
    Lüder musste bremsen, weil ein Lastkraftwagen die
freie Fahrt nahm und kein Überholen zuließ. Nachdem er auf einem geraden
Straßenstück den Brummi hinter sich gelassen hatte, konnte sich Lüder wieder
auf das Gespräch konzentrieren.
    »Sie sind politisch aktiv?«
    »Im Kreistag.«
    »Sonst noch irgendwo?«
    »Nein, wenn Sie die Parteiarbeit außen vor lassen.«
    »Könnte Ihre politische Arbeit jemandem Anlass für
diese Tat gegeben haben?«
    Rasmussen lachte auf.
    »Ich bitte Sie. Was haben Sie für Vorstellungen von
der Arbeit des Kreistages in Schleswig-Flensburg? Da werden die
Meinungsverschiedenheiten im schlimmsten Fall am Tresen ausgetragen. In diesem
Gremium gibt es keine heftigen Kontroversen. Da herrscht überwiegend Konsens
mit dem Willen, sachorientiert die unsere Region betreffenden Probleme zu
meistern.«
    Sie hatten das Universitätsklinikum in der
Arnold-Heller-Straße in weniger als vierzig Minuten erreicht und standen kurz
darauf vor einer verschlossenen Tür, die zum Operationstrakt der
Unfallchirurgie führte. Das Einzige, was sie in Erfahrung bringen konnten, war,
dass die Ärzte um das Leben von Bärbel Rasmussen kämpften. Niemand wollte
Einzelheiten offenbaren oder gar eine Prognose wagen.
    Wenig später saß Lüder seinem Vorgesetzten gegenüber.
Er hatte im Krankenhaus nichts ausrichten können, und der Ehemann des Opfers
beharrte darauf, in der Klinik zu warten.
    Das Büro von Kriminaldirektor Jochen Nathusius war
geräumiger als die benachbarten Zimmer. Es unterschied sich nicht nur durch die
Größe, sondern auch in der Ausstattung von anderen Arbeitsplätzen. Der Leiter
der Abteilung 3 des Landeskriminalamtes, des polizeilichen Staatsschutzes,
blickte gedankenverloren auf das gerahmte Bild seiner Frau Beatrice, das auf
seinem Schreibtisch stand. Der rundliche Kopf mit den Sommersprossen und die
kurzen, rötlich gefärbten Haare ließen ihn wie einen Iren erscheinen. Dazu
passte der gemütliche Eindruck, den Nathusius auf den ersten Blick vermittelte.
Niemand hätte ihn ihm den brillanten Analytiker vermutet, der Situationen und
Zusammenhänge eindrucksvoll einzuschätzen verstand.
    »Dann haben wir derzeit keine Anhaltspunkte, weshalb
der Familie Rasmussen eine Briefbombe zugestellt worden ist«, stellte der
Kriminaldirektor nach Lüders Berichterstattung fest. »Warum wird auf einen
relativ unbekannten und überregional unbedeutenden Politiker ein solches
Attentat verübt? Hat der Mann Ambitionen, die über seinen bisherigen
Wirkungskreis hinausgehen? Ist er durch extremistische oder vielleicht auch nur
unbedachte Äußerungen in Erscheinung getreten?«
    »Noch wissen wir nichts über Holger Rasmussen«,
antwortete Lüder. »Ich werde umgehend Erkundigungen über ihn einziehen. Wenn er
sich auf dem politischen Feld Feinde geschaffen hätte, dann wären sicher
Berichte in den Medien erschienen. So etwas lässt sich in Deutschland nicht lange geheim halten. Daher glaube ich im ersten Moment nicht an solche Motive.
Wir stehen vor einem Rätsel. Ich glaube, wir müssen auch zuerst die Ergebnisse
der kriminaltechnischen Untersuchungen abwarten.«
    Nathusius hatte reglos zugehört. Jetzt zeigte er mit
dem ausgestreckten Finger auf Lüder.
    »Bevor wir eine größere Sonderkommission einsetzen,
sollten Sie so viele Erkenntnisse wie möglich sammeln. Wir haben nicht viel
Zeit, da ab heute Abend die Medien über diesen Fall berichten werden. Und
morgen stürzen sich die Boulevardblätter darauf. Dann sind wir in aller Munde.«
    »Wenn es auch aus manchen dieser Munde übel riechen
wird«, erwiderte Lüder. »Wie wollen wir die Zusammenarbeit mit der zuständigen
Mordkommission gestalten? Dort findet sich eine sehr ehrgeizige Leiterin, die
das Verfahren an sich
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