Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Küstenfilz

Küstenfilz

Titel: Küstenfilz
Autoren: H Nygaard
Vom Netzwerk:
ziehen möchte.«
    »Frau Dobermann?«
    Lüder nickte.
    »Die Frau trägt ihren Namen zu Recht. Sie ist nicht
nur ehrgeizig, sondern auch erfolgreich. Ich würde es begrüßen, wenn Sie eine
geeignete Form der Zusammenarbeit mit dem K1 aus Flensburg finden würden.
Nehmen Sie den Namen als Programm und nutzen Sie die Dame als Wadenbeißer.«
    »Ich gehe davon aus, dass Sie mir freie Hand lassen,
wie lang oder kurz ich die Leine halten darf.«
    Nathusius antwortete mit einem Lächeln. »Schießen Sie
in den Wind«, verabschiedete er einen seiner engsten Mitarbeiter.
    Lüder ging direkt zum Büro des Pressesprechers. Sven
Kayssen sah auf, als er eintrat.
    »Die ersten Journalisten haben mich bereits mit
Anfragen überfallen«, begrüßte er Lüder. »Kannst du mir ein paar Infos geben?«
    Nachdem Lüder ihn mit den dürftigen Erkenntnissen
vertraut gemacht hatte, bat er Kayssen, alle verfügbaren Informationen über
Holger Rasmussen zusammenzutragen.
    Danach kehrte Lüder an seinen Arbeitsplatz zurück. Er
war nicht erstaunt, dass sich über kein Mitglied der Familie Rasmussen etwas in
den Dateien der Polizei fand. Wie erwartet, waren alle unbescholtene Bürger.
    Nach einer halben Stunde meldete sich der
Pressesprecher.
    »Soweit ich das beurteilen kann, ist die Ausbeute eher
mager. Der Mann war einige Jahre im Gemeinderat von Boren. Dann wurde er in den
Kreistag gewählt, nachdem er auch als Bürgermeisterkandidat seiner
Heimatgemeinde gehandelt wurde. Seine Arbeit in der ersten Legislaturperiode
scheint unauffällig gewesen zu sein. Jedenfalls taucht er selten in der Presse
auf. Zuerst war er als eine Art Frühstücksdirektor unterwegs und hat
Pensionären zu runden Geburtstagen gratuliert, Kindergartenneubauten eingeweiht
und sich in Diskussionen um Kläranlagen und den Gewässerschutz engagiert. Nach
seiner Wiederwahl wurde er, für manche überraschend, zum Vorsitzenden des
Ausschusses für Wirtschaft, Kreisentwicklung und Umwelt gewählt. Aber auch in
dieser Funktion gibt es keine spektakulären Presseberichte über ihn.«
    Das war nicht ergiebig, dachte Lüder. Es klang nicht
so, als könnte die politische Arbeit Rasmussens Anlass dafür sein, dass ihm
jemand eine Briefbombe ins Haus geschickt hat. Aber wieso gingen sie davon aus,
dass die Bombe dem Mann gegolten hatte? Schließlich lebten noch drei weitere
Erwachsene auf dem Hof.
    Er sah auf die Uhr. Viel konnte er heute, am
Freitagnachmittag, nicht mehr unternehmen. Zunächst mussten die Ergebnisse der
Spurensicherung abgewartet werden. Die ersten Resultate würden nicht vor Montag
vorliegen. Auch das Opfer war nicht vernehmungsfähig. So nutzte er die Zeit und
verschaffte sich einen Überblick über den Kreis potenzieller Täter, die schon
einmal in Verbindung mit Sprengstoffattentaten in Erscheinung getreten waren.
Lüder war erstaunt, dass er auf Anhieb über zwei Dutzend Namen zusammenbekam.
    Vier konnte er davon ausschließen, weil die Männer
derzeit Gefängnisstrafen verbüßten. Andere sortierte er auf einer Liste mit
untergeordneter Priorität. Diese Leute waren auffällig geworden, weil sie
fahrlässig oder ohne erkennbare Absicht, anderen Schaden zufügen zu wollen, mit
Sprengstoff hantiert hatten. Er waren zum Teil Pyromanen, die sich einzig aus
der Freude am brisanten Feuerwerk dem gefährlichen Material zugewandt hatten,
oder Schüler, die theoretisch erworbene Kenntnisse aus dem Physikunterricht
leichtsinnig in die Praxis umsetzen wollten.
    Im engeren Kreis möglicher Tatverdächtiger blieben
vier Namen auf Lüders Liste. Davon war einer in Schleswig-Holstein beheimatet.
Harry Senkbiel wohnte in Rendsburg. Er war ein ehemaliges Mitglied autonomer
Zellen und wegen Brandanschlägen vorbestraft. Seine Fachkenntnisse resultierten
aus einem abgebrochenen Chemiestudium. Nach seiner Haftentlassung war er
allerdings strafrechtlich nicht wieder in Erscheinung getreten. Diesen Mann
würden sie als Ersten vernehmen.
    Lüder beschloss, den Abend seiner Familie zu widmen.
So fuhr er heim zum Einfamilienhaus am Kieler Stadtrand.
    Vor der Garageneinfahrt blockierte ein älterer VW -Bulli die Zufahrt. Margit, seine
Lebenspartnerin, hatte den Wagen dort geparkt. Sie lebten bereits seit mehreren
Jahren zusammen, hatten aber bisher noch »keine Zeit gefunden«, zum Standesamt
zu gehen. Margit hatte zwei Kinder mitgebracht, während der neunjährige Jonas
aus Lüders geschiedener Ehe stammte. Diese vielköpfige Patchworkfamilie
komplettierte seit einem Jahr Sinje,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher