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Küstenfilz

Küstenfilz

Titel: Küstenfilz
Autoren: H Nygaard
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Fischediek. »Nichts. Ich hab gar
nich die Zeit, jede Sendung im Einzelnen zu betrachten. Dafür ham wir viel zu
viel zu tun. Die da oben drücken uns immer mehr aufs Auge. Nee, tut mir leid.
Daran is mir nix aufgefall’n. War so ‘n wattierter brauner Umschlag. Natron
oder wie die Dinger heißen.«
    »Absender? Briefzentrum?«, bohrte Lüder nach.
    »Nee, leider nich. Doch – wart’n Sie mal. Bärbel, als
sie die Post entgegengenommen hat, da hat sie gesagt: Von wem ist der denn?
Kenn ich nich. Vielleicht wieder Werbung.«
    Auch die Schwiegertochter konnte keine weiteren
verwertbaren Aussagen machen. Peter Rasmussen war erst nach der Explosion
dazugerufen worden.
    »Wir haben mein Vadder schon benachrichtigt«, erklärte
der junge Mann. Er is aufn Weg hierher.« Dabei spielte er nervös mit seinen
Händen auf der Tischplatte. »Jette«, wandte er sich an seine Frau. »Kanns nich
mal ‘nen Kaffee machen?«
    Stumm drückte sie ihrem Mann das Kind auf den Arm. Das
kleine Mädchen schmiegte sich an seinen Vater und sah die Fremden mit großen
Augen an.
    »Hast ‘nen Schnaps für mich?«, bat Jens Fischediek.
»Ich glaub, ‘nen Kaffee vertrag ich jetzt nich.«
    Während sich die Schwiegertochter um die Getränke
kümmerte, beantwortete Peter Rasmussen die Frage der Hauptkommissarin.
    »Ja, ich hab den Hof von meine Eltern übernomm’ und
bewirtschafte ihn seit zwei Jahr’n. Mein Vadder kümmert sich um unsere annern
Geschäfte, hauptsächlich aber macht er Politik. Muddern hilft in Stall und
Garten und sorgt sich um die Vermarktung.«
    Lüder hatte es Frauke Dobermann überlassen, die
weiteren Fragen zu stellen.
    »Was sind das für ›andere Geschäfte‹?«
    Der Jungbauer sah sie eine Weile an, bevor er
antwortete.
    »Da weiß ich nich so genau drüber Bescheid. Es geht
hauptsächlich um Geldanlagen.«
    »Und was meinen Sie damit, dass sich Ihr Vater um ›die
Politik‹ kümmern würde?«
    »Der is schon seit ewig’n Zeiten im Kreistag. Erst war
er im Gemeinderat von Boren. Seit sieben Jahr’n sitzt er im Kreistag.«
    »Für welche Partei?«
    Rasmussen sah die Hauptkommissarin fast ungläubig an.
    »Is das ‘ne ernsthafte Frage?«
    Sie wurden durch ein Poltern aus der großen Diele
unterbrochen. Kurz darauf stürmte ein großer breitschultriger Mann mit
eisgrauen Haaren in den Raum. Nicht nur sein wettergegerbtes Gesicht und die
großen schwieligen Hände verrieten, dass es sich um Rasmussen senior handeln
musste. Auch die Ähnlichkeit mit Peter war verblüffend.
    Der Jungbauer sprang auf und umarmte seinen Vater, was
sich als schwierig erwies, weil er immer noch seine kleine Tochter auf den
Armen hielt. Dann konnte der junge Rasmussen seine Tränen nicht mehr
zurückhalten.
    Tröstend klopfte ihm Holger Rasmussen auf die
Schulter. Er ließ sich Zeit, bevor er sich den beiden Kriminalbeamten zuwandte
und mit erstaunlich ruhiger Stimme fragte: »Was ist hier geschehen?«
    Frauke Dobermann erläuterte mit wenigen Worten, was
sie bisher in Erfahrung bringen konnten.
    »Wie geht es meiner Frau?«, wollte Rasmussen wissen.
    »Sie ist in Kiel. In der Uniklinik. Der
Rettungshubschrauber hat sie dorthin gebracht.«
    »Dann werde ich jetzt zu ihr fahren«, beschloss der
Mann.
    »Können Sie uns zuvor einige Fragen beantworten?«,
warf die Hauptkommissarin ein.
    »Nein«, antwortete Rasmussen scharf. »Mich
interessiert jetzt nur meine Frau.«
    »Ich fahre Sie nach Kiel«, mischte sich Lüder ein.
»Mit meinem Wagen geht es schneller als mit anderen Fahrzeugen.«
    Rasmussen schien einen Moment zu zögern, bevor er
nickte. »Gut. Aber jetzt sofort.«
    Lüder stand auf und zog seine Autoschlüssel aus der
Tasche.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte er Frauke Dobermanns
wütenden Blick, die sich nur mühsam eines Kommentars enthalten konnte.
    *
    Lüder hatte das mobile Blaulicht auf dem Dach seines BMW platziert und kam mit den
Sonderrechten, wie es auf Amtsdeutsch hieß, zügig voran. Die anderen
Verkehrsteilnehmer räumten ihm überwiegend unproblematisch den Weg.
    »Haben Sie eine Idee, wer Ihrer Familie eine
Briefbombe zukommen lassen könnte?«
    Rasmussen warf ihm einen Seitenblick zu.
    »Für wen halten Sie uns? Wir sind doch bedeutungslos
in dieser Welt.«
    »Haben Sie Feinde? Gibt es Auseinandersetzungen,
selbst wenn Sie Ihnen nichtig erscheinen?«
    »Nein! Wir leben mit niemandem im Streit. Ich kenne
keinen, der zu einer solch verrückten Tat fähig wäre.« Rasmussen stierte starr
durch die Scheibe nach vorn und
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