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Küstenfilz

Küstenfilz

Titel: Küstenfilz
Autoren: H Nygaard
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Mordkommission unter meiner Leitung steht. Ich
bin Erste Hauptkommissarin«, gab sie ihm zu verstehen. »Und Sie?
Hauptkommissar?«
    Lüder nickte versöhnlich.
    »Nicht ganz.«
    Frauke Dobermanns Gesichtszüge entspannten sich. Sie
fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen.
    »Oberkommissar? Es stört Sie hoffentlich nicht, dass
ich eine Frau bin.«
    »Keineswegs. Ich bin emanzipiert«, erwiderte Lüder.
»Übrigens … Ich bin Kriminalrat.«
    Sie klappte den Unterkiefer herab und schnappte nach
Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.
    »Trotzdem«, kam es nach einer Weile über ihre Lippen.
    In diesem Moment tauchte ein kleiner, fast
glatzköpfiger Mann auf.
    Erst hustete er, dann nieste er. Dem folgte ein
Räuspern.
    »Kiel?«, fragte er und sah Lüder an.
    Der nickte und stellte sich vor.
    »Klaus Jürgensen«, sagte der Mann.
    »Der Hauptkommissar ist der Leiter der Spurensicherung
bei der Bezirkskriminalinspektion Flensburg«, erklärte Frauke Dobermann.
    »Es sieht so aus, als wäre eine Briefbombe explodiert.«
Jürgensen wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. »So etwas kommt selten vor
– hier bei uns im Norden.« Dann zog er die Nase kraus, als müsste er erneut
niesen. »Ich verstehe nicht, weshalb in diesem Landesteil immer alles mit
›Ihhh‹ und ›Bähhh‹ über die Bühne gehen muss. Bei Gewalttaten werden die Opfer
verstümmelt oder entsetzlich zugerichtet. Nordfriesland gehört auch zu unserem
Einzugsbereich. Wenn wir zu den Schlickrutschern an die Westküste gerufen
werden, sorgen die wenigstens für ein ästhetisch ansprechbares Umfeld. Dort
gibt es keine blutigen Leichen, schon gar nicht unter freiem Himmel.« Jürgensen
schüttelte sich. »Offenbar befand sich der Sprengsatz in einer Postsendung, die
beim Öffnen detonierte. Tut mir leid. Mehr können wir noch nicht sagen, weder
zur Art des Sprengstoffes noch zum Zünder.« Jürgensen zog sich den leichten
Handschuh aus und gab Lüder die Hand.
    »Ich heiße Klaus«, stellte er sich vor, »nur mal so –
falls wir hier zusammenarbeiten sollten.«
    Lüder erwiderte den festen Händedruck. »Lüder.«
    Der kleine Hauptkommissar musterte ihn mit
zusammengekniffenen Augen.
    »Ich denke, das ist der Zuname?«
    Lüder erklärte lächelnd: »Lüder Lüders ist mein
kompletter Name. Erspare mir, die Herkunft zu erläutern.«
    »Komisch«, kommentierte Jürgensen und zeigte dann auf
Frauke Dobermann. »Hat sie schon zugebissen?«
    Die Chefin der Mordkommission nahm diese Anmerkung
kommentarlos, aber mit einem finsteren Gesichtausdruck zur Kenntnis.
    »Haben Sie den Zeugen schon vernommen?«, wechselte
Lüder das Thema.
    Frauke Dobermann schüttelte den Kopf. »Vorhin war er
noch nicht ansprechbar und wurde vom Arzt versorgt. Vielleicht sollten wir es
jetzt noch einmal versuchen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, ging sie ins Haus.
Lüder folgte ihr.
    Von der großen gekachelten Diele, in der hübsch
bemalte Holzmöbel eindrucksvoll den rustikalen Charakter des Anwesens
unterstrichen, gingen zahlreiche Räume ab. Im hinteren Bereich drang aus einer
geöffneten Tür leises Stimmengemurmel.
    In einer großen Wohnküche, die von einem schweren
Holztisch mit sechs hochlehnigen Stühlen dominiert wurde, saßen Jens Fischediek
in einem blutverschmierten Unterhemd, eine jüngere Frau mit einem kleinen Kind
auf dem Arm und ein altersmäßig dazu passender Mann in Arbeitskleidung.
    »Guten Tag, mein Name ist Dobermann«, stellte sich die
Hauptkommissarin vor und wies auf Lüder. »Das ist ein Kollege.« Sie unterließ
es, Lüder mit Namen vorzustellen. »Wir kommen von der Kripo. Dürfen wir Ihnen
ein paar Fragen stellen?«
    Der jüngere Mann sah sie mit verstörtem Gesichtsausdruck
an und nickte. Er zeigte auf die freien Stühle.
    »Ich bin Peter«, nannte er wie selbstverständlich nur
seinen Vornamen, dann zeigte er auf die junge Frau. »Jette, meine Frau.«
    »Sie sind der Sohn?«, fragte Frauke Dobermann.
    Peter Rasmussen nickte stumm.
    »Sie sind von der Deutschen Post und haben die Sendung
gebracht?«, wandte sich die Hauptkommissarin an Jens Fischediek.
    »Ja«, kam es leise über die Lippen des Postzustellers.
»Wenn ich das gewusst hätte!«
    Dann erzählte er nach Aufforderung mit stockender
Stimme, was sich zugetragen hatte.
    »Haben Sie an der Briefsendung etwas Auffälliges
bemerkt? Gewicht? Form? Absender?«, mischte sich Lüder in das Gespräch ein und
erntete dafür von Frau Dobermann einen missbilligenden Blick.
    »Nein«, antwortete
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