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Küss mich, wenn Du kannst

Küss mich, wenn Du kannst

Titel: Küss mich, wenn Du kannst
Autoren: Susan Elizabeth Phillips
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herausfordern?
    Bevor sie einen Rückzieher machen konnte, begann Kate im gleichen übertrieben geduldigen, mütterlichen Ton zu sprechen wie damals, als die achtjährige Annabelle gedroht hatte, sie würde von Zuhause weglaufen, wenn ihre Brüder nicht aufhören würden, sie »Kartoffel« zu nennen. »Ich will doch nur, dass du Buchführung lernst. Sicher wird dir Doug einen Job verschaffen.«
    »Nein, ich will keine Buchhalterin werden!«
    »Und was hast du vor, Annabelle? Verrat es mir doch. Glaubst du, es macht mir Spaß, dauernd an dir rumzunörgeln? Wenn du mir nur ein einziges Mal erklären würdest...«
    »Ich möchte mein eigenes Geschäft führen.« Annabelles Stimme klang sogar in ihren eigenen Ohren weinerlich.
    »Das hast du versucht, erinnerst du dich? Dieser Geschenkartikelladen. Und dann die grauenvolle Dotcom-Firma. Davor haben Doug und ich dich gewarnt. Schließlich diese schäbige Stellenvermittlung! Nirgendwo hast du‘s ausgehalten.«
    »Jetzt bist du unfair, die Stellenvermittlung ist Pleite gegangen.«
    »Ebenso der Geschenkartikelladen und die Dotcom-Firma. Meinst du, es ist reiner Zufall, dass jeder Betrieb zusammenbricht, für den du arbeitest? Das passiert nur, weil du dich in Tagträumen vergräbst, statt der Realität ins Auge zu blicken. Genauso wie die Illusion von deiner schauspielerischen Karriere.«
    Annabelle sank noch tiefer in den Fahrersitz hinab. Eine Zeit lang war sie eine gute Schauspielerin gewesen, hatte Nebenrollen in Collegeaufführungen übernommen und sogar Regie geführt. Doch nach dem zweiten Studienjahr hatte sie gemerkt, dass ihre Leidenschaft nicht dem Theater gehörte. Es war nur eine Flucht in eine Welt gewesen, wo sie nicht Doug und Adam Grangers stümperhafte kleine Schwester sein musste.
    »Bedenk auch, was mit Rob passiert ist!«, fuhr Kate fort. »Das war doch wirklich das Allerletzte... Schon gut, lassen wir das. Worauf es ankommt - du glaubst tatsächlich an diesen New-Age-Unsinn, man müsste sich irgendwas nur inbrünstig wünschen und bekäme es dann. Aber so funktioniert das Leben nicht. Wunschträume genügen nicht. Nur pragmatische Menschen sind erfolgreich, weil sie Pläne schmieden, die auf der Realität beruhen.«
    »Ich will keine Buchhalterin werden!«, schrie Annabelle.
    Diesem Gefühlsausbruch folgte ein langes, missbilligendes Schweigen. Sie wusste genau, was ihre Mutter jetzt dachte. Dass Annabelle wieder einmal Annabelle war - hypernervös, übertrieben dramatisch, untauglich, das schwarze Schaf der Familie.
    Nichts auf dieser Welt konnte sie so sehr aufregen wie ihre Mutter. Außer ihrem Vater. Und ihren Brüdern.
    »Hör endlich auf, deine Zeit zu vertrödeln und an deinem Leben herumzupfuschen«, lautete die letzte E-Mail von Adam, dem phänomenalen Superdoktor. Die hatte er natürlich gewissenhaft an die restlichen Familienmitglieder sowie zwei Tanten und drei Vettern geschickt.
    »Jetzt bist du einunddreißig«, hatte ihr Doug, der phänomenale Superbuchhalter, zum letzten Geburtstag geschrieben. »Mit einunddreißig habe ich zweihundert Riesen im Jahr verdient.«
    Ihr Vater, der phänomenale Superex-Chirurg, ging die Sache etwas anders an. »Gestern habe ich bei der Nummer vier einen Schlag unter Par gespielt. Ja, allmählich kann ich ganz gut einlochen. Übrigens, Annabelle - inzwischen müsstest du zu dir selbst gefunden haben.«
    Nur Nana Myrna hatte ihr beigestanden. »Wenn es an der Zeit ist, wirst du zu dir selbst finden, Schätzchen.«
    Wie schmerzlich Annabelle ihre Großmutter vermisste, die ebenfalls ein schwarzes Schaf gewesen war...
    »Heutzutage boomt die Buchhaltungsbranche«, fügte Kate Granger hinzu. »Sie wächst geradezu sprunghaft.«
    »Genauso wie mein Geschäft«, konterte Annabelle in einem Anfall wahnwitziger Selbstzerstörung. »Heute habe ich einen sehr wichtigen Klienten an Land gezogen.«
    »Wen?«
    »Natürlich darf ich seinen Namen nicht verraten, das weißt du.«
    »Ist er unter siebzig?«
    Annabelle ermahnte sich, nicht auf den Köder hereinzufallen. Aber sie war nicht umsonst zur unangefochtenen Familienkatastrophe gekürt worden. »Er ist vierunddreißig. Ein Multimillionär. Ganz vorn im Rampenlicht.«
    »Warum um alles in der Welt hat er dich engagiert?«
    »Weil ich die Beste bin!«, stieß Annabelle zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Deshalb!«
    »Nun, warten wir‘s ab.« Kates Stimme nahm einen sanften Klang an, und die Spitze des mütterlichen Messers bohrte sich mitten in die Wunde.
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