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Kühlfach betreten verboten

Kühlfach betreten verboten

Titel: Kühlfach betreten verboten
Autoren: Jutta Profijt
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denn zu diesem Zweck hatte Martin das Ding gekauft. Es sah aus wie ein Moskitonetz, also total verstrahlt, war aber leider sehr zweckdienlich.
    Ich konnte Martin also nicht wecken und sein medizinisches Wissen über komatöse Zustände bei Schulmilchjunkies anzapfen, also schlüpfte ich stattdessen an meinen Lieblingsschlafplatz: Ich kuschelte mich zwischen Birgits wohlriechende Klamotten, die sie lässig auf den Stuhl in ihrer Ecke des Schlafzimmers geworfen hatte, und döste blöd vor mich hin.
    Schlafen können wir Geister leider nicht.
     
    Mittwoch, 04   Uhr 32
    Gegen halb fünf war es mit meiner Ruhe vorbei. Dieses untätige Herumschimmeln ist die reinste Folter, wenn das Hirn nicht abschaltet, und meins wollte einfach keine Ruhe geben. Ständig spukten mir die Blagen im Sinn herum, dahergab ich die Ruhephase auf und machte einen Streifzug durch die Stadt. Ich düste zum Unfallort, wo im Dunkeln nichts zu erkennen war, und schlenderte dann von dort aus in Fahrtrichtung des Kangoos weiter. Irgendwo in dieser Richtung hatte das Ziel der Fahrt gelegen.
     
    Ich flog relativ hoch, um mich in dem Viertel zu orientieren. Hier hatte ich zu Lebzeiten wenig zu tun gehabt, denn für einen Dieb hochwertiger Nobelkarossen war diese Gegend nicht gerade der bevorzugte Arbeitsplatz gewesen. Die eine Hälfte der Bewohner fuhr Tret-Ferrari, oft noch mit Fähnchen verzierten Anhängern dran, in denen die Kinder mit den doppelten Vornamen, wie Leon-Pius, oder esoterisches Mineralwasser transportiert wurden, die andere Hälfte fuhr Mercedes 190   D.   Ja, immer noch.
    Ich kannte mich also nicht gut aus. Statt aber einen geografischen Überblick zu gewinnen, sah ich nicht weit entfernt den Widerschein von Blaulichtern. Natürlich folgte ich dem Licht und erreichte schnell einen kleinen, ungepflegten Platz, in dessen Mitte ein großer Baum und mehrere Büsche standen. Unter einem dieser Büsche lag jemand. Und dieser jemand war, wenn ich das Absperrband, die Tatorttruppe und den Fotografen richtig interpretierte, tot.
     
    In einem Streifenwagen saß eine zitternde Frau mit einem ebenfalls zitternden Dackel auf dem Schoß. Hundehalter sind doch immer noch die besten Helfer der Mordkommission, sowohl in städtischen Grünanlagen als auch auf dem platten Land. Ich sparte mir das Gestammel und Gestotter des Frauchens und das begeisterte Jagdhundgesabbere der Fellwurst und wandte meine ganze Aufmerksamkeit dem Opfer zu. Zum Glück konnte ich mich an der Tatortabsperrung vorbei, von Fotograf und Spusi unbemerkt, nah an die Leiche heranzoomen.
     
    Mit dieser Art Leiche hatte ich nicht gerechnet. Vielleicht mit einem Penner, der sich zu Tode gesoffen hat. Oder einem Hormonbomber, dessen brodelndes Blut ihn in ein offenes Messer hat laufen lassen. Vielleicht hatte ich auch einen Junkie erwartet, keine Ahnung. Aber bestimmt keine Tussi, deren Kleidung sie eindeutig als Nicht-Junkie und Nicht-Penner identifizierte. Enge Jeans in dicken Stiefeln, eng anliegender Rollkragenpullover mit breitem Gürtel darüber, leichte Steppjacke. Und auf dem ganzen Oberkörper verteilte Schlitze im Pulli und große, dunkle Blutflecken drumherum.
    An ihrem Rollkragenpullover klebte etwas, das ich zuerst für ein Stück welkes Laub gehalten hatte, aber das war es nicht. Es war ein Stück Papier, das jemand mit Klebeband auf ihre spitzen Hupen geklebt hatte. Darauf stand das Wort
paçavra
.
     
    Das Alter einer Leiche ist schwer zu schätzen. Natürlich kann man sehen, ob eine Schnecke eher unter dreißig oder jenseits der fuffzig ist, aber ob diese Gestalt hier eine gut entwickelte Jugendliche oder eine jugendliche Dreißigjährige war, hätte ich nicht einmal raten können. Sie hatte schwarzes Haar, schwarze Augenbrauen, lange schwarze Wimpern und eine dunklere Haut als die deutsche Durchschnittstante.
    Vielleicht hatten wir es hier mit einer extrem glücklosen Lehrerin zu tun, die erst gegen eine Brücke gerast und dann auch noch abgestochen worden war.
    Es gibt schon echt beschissene Tage im Leben.
    Ich blieb noch einige Zeit bei der Tatortuntersuchung, die von Martins bestem Freund Gregor geleitet wurde. Er sah nach Schlafentzug aus und mindestens genauso angefressen. Gregor nimmt jede Leiche persönlich, besonders die jungen Frauen. Ab sofort würde er weder pennen noch vernünftig essen noch sich die Zeit nehmen, im Sitzen zu pinkeln, weiler Hummeln im Arsch haben würde, bis er den Mörder eindosen konnte.
    Sobald die Spurenheinis grünes Licht gaben,
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