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Kühlfach betreten verboten

Kühlfach betreten verboten

Titel: Kühlfach betreten verboten
Autoren: Jutta Profijt
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ich.
    »Ihr bleibt einfach hier, und wenn es so weit ist, geht ihr in eure Körper zurück. Schönen Tag noch.«
    Ich drehte wieder ab.
    »Wie merken wir denn, wann das so ist?«, fragte Edeltrötchen.
    »Äh   –«
    »Weiß der doch nicht, der hat’s ja nicht geschafft«, sagte Jo hämisch.
    Das war ja einer von der ganz schlauen Truppe.
    »Ich will nach Hause«, wiederholte der Rotschopf.
    »Bleibt geschmeidig und vor allem: Bleibt bei euren Körpern«, rief ich über die Schulter. Ich wollte endlich ins Kino, dort lief der neue Film mit Bruce Willis. Für mich natürlich ohne Popcorn und Tussigriffeln, aber dafür kam ich gratis rein. Sogar Loge!
    Ich war ein paar Sekunden unterwegs, bis ich riffelte, dass die Zwergenarmee mich schon wieder verfolgte.
    »Hey, ihr sollt bei euren Körpern bleiben.«
    »Aber da sind wir allein«, stammelte Edi.
    »Blödsinn, Schneewittchen, da sind die Sanis und die Bullen und ganz viele Leute, die sich freiwillig für ihre Scheißjobs entschieden haben. Also noch mal: Bye-bye, Bonsais!«
    Es nutzte nichts. Sie folgten mir. Zögernd und heulend,aber klebrig wie ausgelaufene Rum-Cola. Ich seufzte. Adios, Brucie-Baby, heute musst du die Welt ohne mich retten.
    »Okay, Leute, ich begleite euch ins Krankenhaus. Da bleibt ihr dann aber schön neben euren Bettchen hocken, damit ihr da seid, wenn ihr wieder aufwacht.«
     
    Die allererste Hilfe war offenbar inzwischen abgeschlossen, denn die Sanis machten die Patienten reisefertig, legten sie auf Rolltragen, Decke drüber, anschnallen und ab in die Siechenschaukeln, die mit Blaulicht parat standen. Die ganze Aktion hatte wohl gar nicht so lang gedauert, wie es mir vorgekommen war, denn die Einschüchterungsbullen stritten immer noch mit den Zeugen, während die Tatortbullen mit ihrem Messrädchen unterwegs waren, Bremsspuren fotografierten und mit starken Handlampen die Schlaglochpiste nach Hinweisen absuchten.
     
    Die Bonsais und ich hingen noch über dem Ort des Geschehens herum, als ich das typische Wupp-Wupp-Wupp des Polizeihubschraubers hörte, der bei solchen Unfällen üblicherweise angeschraubt kommt, um Fotos aus der Vogelperspektive zu machen.
    »Lasst uns abhauen«, sagte ich, aber das letzte Wort blieb mir im Hals stecken, als ich bemerkte, dass Niclas’ Gesicht sich gummiartig in die Länge zog.
    »Hey, Feuermelder, halt dich von dem Hubschrauber fern«, brüllte ich ihn an, aber Niclas war völlig saft- und kraftlos und hatte den Wirbeln, die von den Rotorblättern verursacht wurden, nichts entgegenzusetzen. Er wurde langsam, aber sicher angesaugt.
     
    Nun ist es ja nicht so, dass wir aus Materie bestehen, aber aus irgendwas bestehen wir schon, sonst gäbe es uns ja nicht. Ist ’ne komplizierte Kiste, die Sache mit der Physik,und wissenschaftlich auch noch nicht so richtig erforscht   – mangels spezialisierter Experten. Einfacher gesagt: Ich kenne keinen toten Einstein, der in meiner Welt vorbeigeschaut hätte, um sich mit ein paar geist-reichen Experimenten über Geistwesen zwischen irdischem Jammertal und himmlischem Paradies einen Nobelpreis zu angeln. Daher kann ich die Anziehungskraft von Rotorblättern auf Geistwesen nicht erklären, aber ich konnte live und in Farbe zusehen, wie Niclas immer näher an die Rotorblätter geriet. Ich konnte nicht nach ihm greifen, um ihn wegzuziehen. Ich konnte ihn nicht schubsen und mich nicht dazwischenwerfen. Gut, das hätte ich vielleicht gekonnt, aber darauf hatte ich keinen Bock.
    Niclas’ Freunde kreischten wie Schleifhexen auf Nirosta, nur er selbst war ganz still. Man kann sogar sagen, er war starr vor Entsetzen. Wie das Kaninchen vor der Schlange oder der Bräutigam vor dem Traualtar. Nur noch wenige Meter trennten ihn vom Rotor. Sein Gesicht sah aus wie im Schwarz-Weiß-Fernseher, während einer an der Antenne rumspielt. Mal büxten Nase und Ohren nach links aus, mal nach rechts. Das Gesicht wurde länger und länger und länger   – dann wurde er vom Rotor ergriffen. Der Luftstrom verwirbelte das, was wir noch von ihm hatten sehen können, zu einem Strudel wie ablaufendes Wasser in der Badewanne.
    Dann war er weg.
     
    Die drei Kumpels schwiegen abrupt, dann setzte das Heulen ein. Greinende Gören sind so ziemlich das schlimmste Geräusch auf der ganzen Welt, aber mir fehlte die Kraft, sie anzuscheißen. Ich war geschockt. Bis ich das Würgen hörte.
    »Niclas?«, fragte ich vorsichtig.
    »Uaärgh«, war die Antwort.
    »Niclas?«, schrie die Edeltröte in einer
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