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Kühlfach betreten verboten

Kühlfach betreten verboten

Titel: Kühlfach betreten verboten
Autoren: Jutta Profijt
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schnappte Gregor sich den Zettel, der jetzt in einem Klarsichtbeutel steckte, und latschte damit zum Kiosk, der gerade aufmachte. Es war halb sechs Uhr morgens. Manche Leute haben selbst ohne Mordermittlung ganz schön unterirdische Arbeitszeiten.
    »Was heißt das?«, fragte Gregor.
    Der Mann glotzte darauf, runzelte die Stirn, blickte Gregor böse an und wandte sich ab.
    »Verstehen Sie das?«, fragte Gregor.
    Der Mann nickte.
    »Was heißt es?«
    Schulterzucken.
    »Hören Sie   …«
    »Elmas!«, brüllte der Mann in einer Lautstärke, dass es mich fast zur Tür des Kiosks hinausgeweht hätte. Eine Frau in einer fettigen Schürze kam heran. Mit ihr der Duft von gebratenem Fleisch mit Zwiebeln und Knoblauch. Himmlisch.
    Der Alte rief etwas, sie ging zögernd auf Gregor zu und warf einen Blick auf den Zettel. Dann schlug sie die Hand vor den Mund.
    »Was heißt das?«, wiederholte Gregor.
    Sie senkte den Kopf und sprach so leise, dass Gregor sich zu ihr herunterbeugen musste. »Schlampe.«
    Spätestens jetzt wurde Gregor zu dem Mann, der rotsieht. Der Typ, der das Perlhuhn geschlachtet hatte, konnte sich verdammt warm anziehen   – es würde ihm trotzdem nichts nützen.
    Die Spurensicherer gaben Gregor ein Zeichen: Die Leiche durfte nun bewegt werden. Gregor untersuchte die Taschen der Steppjacke und der Hose, förderte aber nur ein benutztesTaschentuch, das er ohne weitere Untersuchung in einen Beweismittelbeutel steckte, und einen zusammengeknüllten Zettel zutage. Er faltete den Zettel auseinander. Eine Handynummer stand darauf. Gregor notierte sie, bevor er auch diesen Zettel ordnungsgemäß verpackte, nummerierte und auf die Liste setzte.
    »Hat jemand ein Handy gefunden?«, fragte er in die Runde, erntete aber nur Kopfschütteln. Spätestens jetzt musste jedem klar sein, dass hier ein Verbrechen geschehen war. Geschätzte zehn Messerstiche mochten ja noch als Unfall beim Brötchenschmieren durchgehen, aber ein Perlhuhn ohne Strippe   – das gab es einfach nicht.
    Gregor fummelte sein Handy aus der Hosentasche und rief die Nummer auf dem Zettel an. Die Bandansage leierte den üblichen Spruch über die Unerreichbarkeit des Teilnehmers, Gregor legte frustriert auf.
    Als die Leiche abtransportiert wurde, machte auch Gregor sich auf den Weg ins Büro, um die Bürokratie ins Rollen zu bringen. Bis die Kripo sich sortiert hatte und die Ermittlung anlief, hatte ich locker ein bis zwei Stunden Zeit.
     
    Ich düste zu Martin. Als ich ankam, war er bereits aufgestanden, obwohl sein Wecker üblicherweise erst eine Viertelstunde später klingelte. Sicher hatte Gregor ihn angerufen und um die sofortige Obduktion gebeten.
    »Sag mal, was ist eigentlich ein Koma?«, fragte ich Martin. Er mahlte in der Küche glückliche Kaffeebohnen aus nachhaltig bewirtschafteten, urwaldfreundlichen Bioplantagen für Birgits Espresso, während sein grüner Tee aus einem sozioökologisch vorbildlichen, biodiversifizierten basisdemokratisch-kooperativen Teegarten an den nebelreichen Hängen irgendeines kulturhistorisch bedeutsamen Himalajastaates im Dauerfilter zog. Bei so viel Political Correctness muss ich normalerweise ganz unökologischkotzen, aber heute interessierte mich die Weltenrettungsszenerie nicht, weil mir die seltsamen Geisterkids nicht aus dem Kopf wollten. Ich kapierte einfach nicht, warum die Typen mir die Birne vollschwafeln konnten, obwohl sie nicht tot waren. Da einer der Sanis das Wort Koma gemurmelt hatte, war das vielleicht die Erklärung. Sofern man erst mal kapierte, was ein Koma war, und dazu hatte ich ja mein medizinisches Lexikon im Doktor-Seltsam-Look.
    »Guten Morgen«, erwiderte Martin unkonzentriert.
    Würg. Diese Masche war relativ neu. Hatte was mit der Wohngemeinschaft zu tun, in der wir neuerdings lebten. Zu dritt. Mit einer Frau. Da galten plötzlich ganz neue Umgangsregeln, obwohl Birgit mich gar nicht hören konnte.
    »Guten Morgen, lieber Martin, du siehst aus, als hättest du schlecht geschlafen, mit deinen Klamotten könntest du Anschauungsunterricht in Geschichte geben, und dein Scheitel wird auch immer breiter«, säuselte ich. Eine weitere neue Regel lautete nämlich, dass man nicht lügen sollte.
    Die Kaffeemühle quietschte.
    »Koma«, schrie ich, um das grässliche Geräusch zu übertönen.
    »Ein Koma ist keine Krankheit, sondern ein Symptom, das meist nach Störungen der Großhirnfunktion auftritt, zum Beispiel nach einer Alkoholvergiftung   …«
    An dieser Stelle machte er eine
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