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Kühlfach betreten verboten

Kühlfach betreten verboten

Titel: Kühlfach betreten verboten
Autoren: Jutta Profijt
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Tonlage, die mir fast die Birne sprengte.
    Wir lauschten. Das Reihern kam von weiter hinten. Dort hing ein Wirbel in der Luft, der mit abnehmender Geschwindigkeit um sich selbst kreiselte.
    »Ich will nach Hause«, jammerte der Wirbel.
    Eindeutig Niclas’ Text.
    »Noch so ’ne Nummer, und das war’s dann aber endgültig«, sagte ich.
    Die anderen hingen erstarrt, aber wenigstens ohne Gejammer neben mir, bis Jo sagte: »Hey, die Krankenwagen sind weg.«
    O Mann!
    Auf mein Kommando sausten wir gemeinsam hinter den Krankenwagen her. Da die Knirpse die Feinheiten der Fortbewegung noch nicht so draufhatten, waren wir langsamer als ein Rasenmäher bergauf, aber in dieser Hinsicht ist Köln zuverlässig. Die Krankenwagen hatten zwar Blaulicht und Sirene eingeschaltet, aber zunächst bremste die perforierte Asphaltdecke des Schleichweges ihre Geschwindigkeit. Auch nach Erreichen der nächsten Hauptstraße ging es nicht viel schneller voran, denn der Kölner an sich macht noch lange nicht Platz, nur weil hinter ihm ein blaues Licht blitzt, also holten wir bald auf. Ich checkte die Krankenwagen, verteilte die Kids in die richtigen Kisten und folgte der letzten Sanikarre. Wenn einer von den Zwergen auf die Idee kam, vor der Krankenhauszufahrt auszusteigen, würde ich ihn gleich einfangen und an seinen Körper tackern.
    Die Sanis hatten die Verletzten in die Uniklinik gebracht. Wir kamen ohne weitere Zwischenfälle dort an. Ich überwachte die Sortierung von je einem Geist zu je einem Körper, vergewisserte mich, dass nicht der Kümmelgeist bei der Zahnspangentussi herumhing, erlaubte großzügig gegenseitige Kurzbesuche, verbot ihnen strikt, die Station zu verlassen, und düste zum Kino.
     
    Doch zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich mich nicht auf einen Actionfilm konzentrieren. Ich überlegte sogar, ob ich noch mal im Krankenhaus nach dem Rechten sehen sollte. Aber darauf hatte ich auch keinen Bock. Eigentlich hasse ich Krankenhäuser, ich mag keine Kinder und ich war schon mal gar nicht für die Blagen verantwortlich. Also glotzte ich den Film weiter, obwohl ich inzwischen gar nicht mehr kapierte, wer oder was da eigentlich ablief, und verließ den Saal mit hundert anderen Zuschauern, von denen die meisten begeistert waren. Ich seufzte. Zum Glück konnte ich mir jeden Film so oft ansehen, wie ich wollte, denn ich musste ja keinen Eintritt zahlen. Ich würde also einfach am nächsten Tag noch mal dem Held der Helden bei seinen coolen Aktionen zusehen.
    Ist es zu viel verraten, wenn ich gleich anmerke, dass natürlich nichts daraus wurde?
     
    Den Rest der Nacht verbrachte ich bei Martin und Birgit. Für alle Frühdementen noch mal zur Erinnerung: Martin ist der Rechtsmediziner, mit dem ich gedanklich kommunizieren kann. Birgit ist seine Freundin. Seit dem ersten Oktober wohnen die beiden zusammen in einer Wohnung, die   – natürlich   – Birgit besorgt hat. Ich sage natürlich, weil Martin für solche Alltagsdinge nicht zu gebrauchen ist. Man würde ihn für vollkommen lebensuntauglich halten, was aber auch nicht stimmt, denn er existierte bereits, bevor er Birgit kennenlernte. Aber mit ihr existiert er deutlich besser.
    Eigentlich habe ich so eine Art Hausverbot, seit ich Martin eine Woche zu früh verraten habe, was er von Birgit zum Geburtstag bekommt. Dabei hatte ich es nur gut gemeint, denn Martin wollte sich einen neuen Frotteeschlafanzug kaufen, wie ihn normalerweise Säuglinge tragen. Also ganz warm, ganz flauschig, mit breiten Strickbündchen an Ärmeln und Beinen, damit nur ja keine kühle Zugluft an denschlafenden Körper kommt. Er wollte sich also einen kaufen, obwohl Birgit ihm schon einen zum Geburtstag besorgt hatte. Das wusste er natürlich nicht. Aber ich. Und ich sagte es ihm, denn ich meinte es ja gut mit ihm.
    Okay, ich wusste, was ich damit auslöste, aber Martin hatte mich genervt mit seinem üblichen Gewäsch von wegen Privatsphäre und so. Dafür hatte ich mich revanchiert. Er kann nämlich überhaupt nicht lügen und sah entsprechend dämlich aus, als er an seinem Geburtstag versuchte, Überraschung über den hellblauen Plüschfummel zu heucheln.
    Die Einzige, die mir bei solchen Aktionen immer ein bisschen leidtut, ist Birgit. Aber sie hat sich schließlich diesen Oberproblemo als Freund ausgesucht.
     
    Nachts konnte ich Martin leider nie stören, denn er schlief unter einem Schutznetz gegen Elektrosmog, das auch mich abhielt. Vermutlich hielt es in erster Linie und vor allem mich ab,
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