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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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herauszuhören, daß er sich vom Nuntius nicht einschüchtern lassen würde, der sich für seinen Geschmack schon genug in seinen Kompetenzbereich eingemischt hatte. Auch der Prälat schien dies bemerkt zu haben, denn er zog es vor, den Einwand des Architekten zu übergehen. Er deutete nach draußen.
    »Und was sagt dieser Mensch mit den Kopfhörern dazu?«
    »Víctor Tavera? Er müßte jeden Moment kommen«, erwiderte Maliaño.
    In diesem Moment betrat Tavera auch schon das Büro, ohne vorher angeklopft zu haben. Der Kopfhörer, der seine widerspenstigen Stirnlocken gebändigt hatte, hing nun um seinen Hals, der wie das unrasierte Gesicht von der Sonne gegerbt war. Seine Arbeitskluft tat ein übriges, um dem Toningenieur ein wildes Aussehen zu verleihen. Der Nuntius musterte ihn voller Mißfallen; ein derart nachlässiges Auftreten konnte er nicht billigen. Ohne daß ihn jemand dazu aufforderte, ließ sich |17| Tavera in den Sessel neben dem Architekten fallen, mit dem er sich auch ohne große Worte zu verstehen schien.
    »Nun?« fragte Presti streng, um gleich von vornherein klarzustellen, daß er bei dieser Zusammenkunft das Sagen hatte.
    Als einzige Antwort stellte der Toningenieur das Aufnahmegerät auf den Couchtisch, beugte sich darüber und drückte eine Taste. Aus dem Lautsprecher drang ein diffuses Sirren, aus dem Bealfeld etwas von dem herauszuhören glaubte, was er eine Stunde vorher durchs Telefon vernommen hatte.
    »Einen Augenblick, ich versuche, diese ganzen Interferenzen etwas zu filtern«, sagte Tavera.
    Er drehte an ein paar Reglern, bis das Hintergrundrauschen und das haarsträubende Getöse sich zu einem rhythmischen Singsang fügten.
    »Et em en an ki sa na bu apla usur na bu ku dur ri us ur sar ba bi
bli ar ia ari ar isa ve na a mir ia i sa, ve na a mir ia a sar ia …«
    »Was ist das?« fragte Presti und blickte dabei auf die Uhr.
    »Keine Ahnung«, erklärte Tavera, »ich weiß nur eins: Dieser Lärm ging genau in dem Moment los, als man den Platz mit den Vorbereitungen für die kirchliche Zeremonie zu reizen begann.«
    »Was ist das für ein Unsinn?! Wie kann man einen Platz
reizen
?
Was wollen Sie damit sagen?«
    »Das könnte Ihnen Sara Toledano besser erklären als ich.«
    »Wo steckt sie überhaupt? Warum ist sie nicht hier?« mischte Maliaño sich nun ein und sah Bealfeld fragend an.
    Der Kommissar räusperte sich verlegen und wich seinem Blick aus, so daß der Architekt zum Nuntius hinüberblickte, was dieser jedoch geflissentlich übersah. Als hätte er Maliaños Frage nach Sara Toledano gar nicht gehört, fuhr er den Toningenieur an:
    »Ich frage aber Sie! Wozu nehmen Sie sonst seit so vielen Jahren die Geräusche dieser Stadt auf?«
    Tavera ließ sich von dem barschen Tonfall des Erzbischofs jedoch nicht beeindrucken. Schweigend strich er sich die Locken aus dem Gesicht. Man merkte Presti inzwischen die zunehmende |18| Verärgerung an, hatte er doch begonnen, zwanghaft an seiner Soutane herumzuzupfen, als müsse er sie von Fusseln oder Haaren befreien. Eine unangenehme Stille breitete sich aus, während sich die beiden mit feindseligen Blicken maßen. Bealfeld konnte das Mißtrauen geradezu körperlich spüren, das der Toningenieur Presti entgegenbrachte. Es war offenkundig, daß Presti keine Widerworte wünschte. Was er verlangte, war nichts anderes, als daß ein jeder von ihnen Stillschweigen über das Vorgefallene gelobte. Nicht eine Sekunde lang hatte der Nuntius in Erwägung gezogen, den Festakt abzusagen, der in wenigen Stunden auf der Plaza Mayor stattfinden sollte. Die geplante Rede des Papstes durfte unter keinen Umständen abgeblasen werden. Lange hatte man im Vatikan nachgegrübelt, wie man sich hinsichtlich der bevorstehenden Friedenskonferenz verhalten sollte. Bis man auf den raffinierten Schachzug gekommen war, den Papst an Fronleichnam nach Antigua reisen zu lassen. Die Prozession, der Antiguas weltberühmte Monstranz vorangetragen wurde und die jedes Jahr unzählige Touristen aus aller Welt anlockte, würde so zu einem Medienereignis werden, das man nutzen konnte, um in aller Öffentlichkeit die Interessen der katholischen Kirche zu bekunden.
    Den Kommissar überkam das unangenehme Gefühl, daß Saras Verschwinden Presti gerade recht kam, da sie sich bereits im Vorfeld gegen die Nutzung des Platzes ausgesprochen hatte. Sich einer Beraterin des amerikanischen Präsidenten nach dem Vorfall am frühen Morgen zu widersetzen hätte sicher die diplomatischen Beziehungen
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