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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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zu den amerikanischen Sicherheitsleuten aufrechterhalten sollte und jetzt in einem Sessel neben dem Eingang döste. In der Hoteleinfahrt wies er die Dienste des offiziellen Chauffeurs zurück, der auf Prestis Befehl hin schlaftrunken mit dem schwarzglänzenden Mercedes vorgefahren war. Bealfeld ließ sich die Schlüssel geben und setzte sich selbst hinters Steuer.
    Nach Möglichkeit wollte er jegliches Aufsehen vermeiden. Die Vorbereitungen für die unmittelbar bevorstehenden Friedensgespräche zwischen den Palästinensern und den Israelis hielten sowieso schon ganz Antigua in Atem, denn man war es |10| hier in der Provinz nicht gewohnt, im Zentrum des internationalen Interesses zu stehen. Dennoch war es kein Zufall, daß die Organisatoren Antigua und nicht die spanische Hauptstadt als Schauplatz für die Friedenskonferenz ausgesucht hatten. Die Wahl hatte hohen symbolischen Wert: Aus der Zeit der Araberherrschaft, während der die Stadt ihre größte Blüte erlebt hatte, rührte Antiguas Ruf einer Stadt der drei Kulturen, in der ein friedliches Zusammenleben von Christen, Juden und Muslimen noch möglich gewesen war.
    Im Gegensatz zu allen anderen Mitgliedern der amerikanischen Delegation kannte Sara Toledano diese Stadt in- und auswendig. Aus diesem Grund hatte der Präsident der Vereinigten Staaten sie auch als unabhängige Wissenschaftlerin in seinen Beraterstab berufen. Ihre Expertenmeinung würde ein entscheidender Faktor sein, wenn es darum ging, im Wirrwarr der gegensätzlichen Interessen die Position des Weißen Hauses abzustecken und die passende Strategie für die bevorstehenden Verhandlungen zu bestimmen. Saras Rolle war also nicht zu unterschätzen, weshalb man ihn, Bealfeld, mit ihrem Schutz betraut hatte. So hatte er seinen ruhigen Posten in New Jersey aufgeben müssen. Er hätte unmöglich ablehnen können. Sara war eine alte Freundin seiner Frau, und sie hatte seinen Namen mit eindeutigen Worten ins Spiel gebracht:
Wenn ich schon einen Schatten ertragen muß, will ich wenigstens
wissen, mit wem ich es zu tun habe. Ich möchte eine Person
meines Vertrauens, keinen gewöhnlichen Bodyguard oder einen
dieser unsichtbaren Gorillas. Außerdem spricht John gut Spanisch, ist
katholisch und weiß sich der jeweiligen Situation angemessen zu verhalten
.
    Der Job hatte durchaus auch seine guten Seiten. Er wurde hervorragend bezahlt, so daß er bis zu seiner Rückkehr in die Staaten sicher genügend Geld für den Urlaub in Peru beisammenhaben würde. Und er hatte viel Zeit für sich. Sara wünschte nämlich nicht, daß er ständig an ihrer Seite war; ganz im Gegenteil, gleich zu Beginn hatte sie ihm deutlich zu verstehen gegeben, daß er vor allem ihre Alleingänge decken sollte, |11| damit niemand mitbekam, daß sie die Sicherheitsbestimmungen des amerikanischen Präsidenten nicht befolgte. In den letzten Tagen hatte er Gelegenheit gehabt, diese einzigartige Frau besser kennenzulernen. Er bewunderte Saras Integrität und ihr beherztes Auftreten vor dieser Bande gewiefter Bürokraten, die das Weiße Haus nach Antigua geschickt hatte. Seinem Eindruck nach wahrten seine Landsleute vorerst noch Distanz und beschränkten sich auf ihre Rolle als politische Beobachter, die nicht vorzeitig involviert werden wollten. Sara nicht. Sie gehörte zu der Sorte Mensch, die die Initiative ergriff und klare Vorstellungen hatte. In Antigua schien sie einen wohlüberlegten Plan zu verfolgen. So etwas wurde nicht gern gesehen. Von niemandem.
    Trotz der frühen Stunde waren schon etliche Menschen unterwegs. Und es wurden immer mehr, sowie sich Bealfeld der Kathedrale näherte. Im Hotel hatte man ihm am Abend zuvor erklärt, daß vor der Fronleichnamsprozession stets eine erwartungsvolle Stimmung in der Stadt herrsche, in diesem Jahr aber alle in fieberhafter Aufregung seien, da der Heilige Vater das Hochamt feiern würde, und das habe es noch nie gegeben. Es war ein offenes Geheimnis, daß die Sicherheitsvorkehrungen über das herkömmliche Maß hinaus verschärft worden waren, da man einige Drohbriefe erhalten hatte. Die Ankündigung des päpstlichen Besuchs war von den Konfliktparteien nicht gerade mit Wohlwollen registriert worden, nicht zuletzt deshalb, weil die vatikanische Diplomatie geltend machte, daß die Mittlerrolle ihr zustünde, wenn über Jerusalems Zukunft verhandelt würde.
    Sobald Bealfeld von der Straße aus das Convento de los Milagros erblickte, schaltete er einen Gang zurück und bog gleich darauf in die von
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