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Kruzifix

Kruzifix

Titel: Kruzifix
Autoren: Xaver Maria Gwaltinger
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Wochen keinen Frühschoppen, und letzten Sonntag war er quasi ausgefallen.
    Ich sagte:
    »Ich bin gleich wieder da.«
    Ich kam mit zwei Flaschen Augustiner Edelstoff zurück.
    »Hier«, sagte ich. »Letzten Sonntag war ich beim Frühschoppen, aber da hat es nur Prostata-Bier gegeben. Brunze. Hier gibt’s was Gescheites. Ausm Keller.«
    Ich hielt ihm eine kühle Flasche Edelstoff hin.
    »Dank schön. Ist noch ein bissle früh. Aber …«
    »Vatertag!«
    »Himmelfahrt!«
    »Okay, ich trink auf den Vatertag, Sie auf Himmelfahrt.«
    Er hatte einen Augsburger Zungenschlag. Die Sprache meiner Kindheit. Da werd ich schwach. Besonders bei Frauen. Bei ihm wurde ich nur halb schwach.
    »Prost!«
    »Broschd!«
    Ja, er war aus Augsburg. Die Augsburger sprechen Prost russisch aus. Broschd.
    Ich fragte:
    »Machen S’ einen Ausflug?«
    »Ja. Betriebsausflug.«
    »Welcher Betrieb?«
    »Sie werden lachen. Bistum Augsburg.«
    »Oh, welch ein Glanz in meiner Hütte. Und der Betriebsausflug führt Sie ausgerechnet zu mir.«
    »Ja, wegen eines Betriebsunfalls. Letzten Sonntag …«
    »Sie kommen doch nicht wegen dem aufgehängten Priester?«
    »Doch, wegen dem Pater Theodor Amadagio.«
    »Dem Datschi!«
    »Datschi?«
    »So sagen die Männer hier zu ihm. So haben sie gesagt. Aber wenn sie über ihn reden, sagen sie immer noch ›der Datschi‹.«
    »Und was reden sie über ihn?«
    »He, Sie sind aber gut im Ausfragen. Meine Mama hat immer gesagt: Lass dich nicht von fremden Leuten ausfragen! Sagen S’ mir zuerst, was Sie von mir wollen.«
    »Ich will, dass Sie herausfinden, was da passiert ist. Letzten Sonntag.«
    »Was soll denn passiert sein? Der Theo Datschi hat sich aufgehängt, und dann haben sie ihn auf eine Bahre gelegt und ein Tuch drüber und ab damit. Nach Kempten.«
    »Nein.«
    »Was nein?«
    »Nicht nach Kempten.«
    »Wohin dann?«
    »Nach Duisburg.«
    »Heilig’s Blechle, jetzt komm ich aber nicht mehr mit. Warum nach Duisburg?«
    »Weil er von da her ist. Seine Heimat.«
    »Weil in Duisburg jeder Zweite Amadagio heißt!«
    »Er ist von da. Seine Mutter war Deutsche. Sein Vater aus Neapel.«
    »Und was macht er jetzt da in Duisburg? Sein Leichnam?«
    »Eingeäschert.«
    »Wie, so schnell? Heut ist doch erst Donnerstag.«
    »Ja. Wir wollten … hm … wie soll ich sagen …«
    »Ihn schnell aus dem Weg schaffen. Was wird da gespielt?«
    »Wir – vom Bistum – glauben nicht, dass sich der Theo aufgehängt hat. Er war nicht der Typ dazu. Und ich will, dass Sie herausfinden, ob er sich tatsächlich aufgehängt hat, und wenn nicht, was da wirklich passiert ist.«
    »Und warum schalten Sie nicht die Kripo ein? Das wäre doch das Naheliegendste!«
    »Weil wir keinen neuen Skandal brauchen. Sie wissen doch: Da kommt dann gleich die Presse, und dann wird rumgestiert, pädophil und dies und jenes, Sie kennen ja diese Hysterie, die grad gegen die katholische Kirche tobt.«
    »Und warum wollen Sie dann nachforschen? Lassen S’ ihn doch in Frieden in seiner Urne liegen, und der Käs ist ’gessen.«
    »Ich bin der Personalchef vom Bistum Augsburg, da gehört die Region Kempten mit dazu. Und ich muss wissen, was da wirklich war. Und der Bischof will es auch wissen. Aber wir wollen nicht, dass es andere wissen. Das geht keinen was an. Trotzdem brauchen wir einen internen Bericht, intern und neutral. Extern verfasst für den internen Gebrauch. Wir wollen uns nicht vorwerfen lassen, dass wir da was vertuschen wollten. Falls jemand in der Geschichte herumschnüffelt.«
    »Und wie kommen Sie denn auf die Idee, ich tät für Sie da rumschnüffeln? Was interessiert denn mich Ihre Kirche und Ihr Theo und mit wem es die Priester treiben … Von mir aus mit Bäumen, ist mir auch wurscht.«
    Er schaute missbilligend, sagte:
    »Ich habe gedacht, Sie könnten sich dafür interessieren. Sie müssen es nicht umsonst machen.«
    »So? Geld ist für mich kein Thema.«
    Log ich.
    »Zwanzigtausend Euro.«
    Ich griff zur Flasche.
    »Plus Spesen.«
    Ich verschluckte mich und hustete.
    »Broschd«, sagte er und tat einen Schluck.
    »Und wie kommen Sie ausgerechnet auf mich?«
    »Soll ich Ihnen Ihre Vorzüge aufzählen?«
    »Warum nicht? Kann mich nicht erinnern, dass jemand das jemals getan hat. Normalerweise hört man seine Vorzüge erst bei der Beerdigung. Etwas spät. Also …?«
    »Sie sind von der Kirche, aber nicht von unserer. Sie kennen sich aus, aber Sie sind nicht betriebsblind.«
    »Das gilt auch für einen x-beliebigen katholischen
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