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Kronhardt

Titel: Kronhardt
Autoren: Ralph Dohrmann
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ahnt das schwere Material, die herausmodellierten Gebirge und gewellten Ozeane, und bald erschafft die Kugel eine sanfte Anziehung. Er spürt, wie sich der Schnaps in ihm ausströmt, spürt das sanfte Feuer, und dann verfinstert die Kugel, ein Sternenhimmel erscheint, und Willem fühlt sich sanft erfaßt und wie in eins gekehrt mit allem.
    Einer trägt die Jacke des Rezeptionisten, der andere die Mütze des Küchenmeisters. Sie haben ein Zimmer für Willem hergerichtet und ein Schwein auf dem Feuer. In einer Stunde ist das Essen fertig, und so steigt Willem über rote Läufer ins oberste Stockwerk. Es ist eine Suite, erstaunlicher Luxus in einer menschenleeren Zeit, und noch das Bad scheint alles normale Maß zu überschreiten. Doch Willem genießt die kalte Dusche, den Schaum und die Rasur.
    Auf dem Bademantel ist Hotel Universal eingestickt, darunter ein Emblem in Form einer Spiralgalaxis, und als er auf dem Balkon steht, fühlt er sich frisch. Aus der Sonne fällt eine angenehme Wärme, die Brise ist lau mit Noten von Flieder. Er atmet langsam, spürt die Luft bald wie einen Strom bis unter die Fontanelle. Voraus, über den Schluchten der Stadt, gleiten Vögel mit weit ausgespannten Flügeln dahin; die Sonne schlägt zurück vom Lack der endlosen Autoreihen. Unter ihm die Bäume stehen in kräftigen Farben da, und er kann fremde Melodien hören. Gelegentlich sieht er Hunde streifen oder eine Rotte von Schweinen. Linker Hand erstreckt sich der Park, und aus der Höhe kann Willem sehen, daß der Buchsbaum dort ein Labyrinth bildet, das bis an den Fluß langt. Unregelmäßig zuckt der Widerschein vom Wasser, an einer Uferstelle sieht er große Tiere.
    Der Blick in die menschenleere Metropole bringt ein vertrautes Gefühl hervor; als wäre er mit Schlosser auf der Wurt, als hielte er Barbara in seinen Armen. Alle Anforderungen des Alltags verschieben sich, und in einem Augenblick kann er das ganze Wunder des Lebens spüren; so steht er da, unter ihm die Bäume, unter ihm Glastürme, Triumphbögen und Zikkurate. Der Himmel wölbt sich bis in einen fernen Horizont, und im Fluß zergeht alle Klarheit in ewig endlosen Stücken.
    Es dauert, bis die Worte der Ramows die Stille in ihm durchdringen.
    So eine ausgestorbene Stadt kriegt man nicht alle Tage zu sehen.
    Willem lächelt.
    Trotzdem. Das Schwein ist fertig. Und einen exzellenten Roten gibts auch dazu.
    Ach.
    Na klar. Solange wir noch Luxus aufstöbern können. Und die Ramows grinsen.
    Im Kaminsaal brennt ein Feuer, eine Tafel ist gedeckt. Auf einen Stecken gespießt steht in der Mitte das Schwein; die Schwarte gebräunt, und unter dem Rüssel ein mildes Lächeln. Rings um den Braten stehen Kristallschalen und Kelche, und über den mehrarmigen Leuchtern flackert Kerzenlicht. Datteln und Feigen liegen aus, die Teller sind schwer, das Besteck aus Silber.
    Willem ist gerührt, doch die Ramows winken ab. Im Grunde, sagen sie, sind die Umstände perfekt. Einmal noch aus dem vollen schöpfen; Pfauen- und Nachtigallenzungen, ein Faß Burgunder, und mit einer ordentlichen Tischgesellschaft den Untergang der Menschheit feiern. Doch zu Weib und Gesang hats nicht gelangt.
    Der schwere Klang der Gläser schwingt durch den Saal, beim Anschnitt steigt Dampf aus dem Schwein. Sie essen langsam, schmatzen, lachen; Kerzenwachs tropft auf die rohe Tafel, und die Männer geben sich hin. Steigern allen schlichten Genuß zu einer Freude, als hätten sie nach herber Anstrengung endlich ihr Ziel erreicht.
    Bis in die Nacht sitzen sie am Feuer. Das Weinfaß steht zwischen ihnen, und der Widerschein aus den geschliffenen Gläsern streut warme Flecken.
    Morgenlicht fällt in die Lobby, und der Globus pulsiert in rotvioletten Tönen. Die langen Schatten in den Straßenschluchten zerfließen in der weichen Luft, über eine Kreuzung hinweg sieht Willem eine kleine Herde ziehen. Der mit der Zahnlücke steht hinter der Rezeption; als er auf die Klingel schlägt, stößt ein Servierwagen durch eine Schwingtür, dahinter grinst der mit dem Schnauzer.
    Zum Frühstück gibt es Schweinebraten. Dazu Datteln und Feigen; aus einer Kanne steigt Kaffeegeruch. Sie essen mit Appetit, erzählen von ihren Träumen, lachen. Später gehen die Ramows daran, klar Schiff zu machen. Wenn sie hier schon nichts bezahlen, meinen sie, wollen sie sich wenigstens anständig
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