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Kronhardt

Titel: Kronhardt
Autoren: Ralph Dohrmann
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saß Edgar Konetzke im Studio. Seine Augen funktionierten bestens; er lachte, nahm ein paar Drinks, Snacks dazu, und über der Bar hing ein nagelneues Plasmamodell.
    Internationale Klimakonferenzen scheiterten, in der Atmosphäre löste sich die Ozonschicht auf, unten schmolzen Polkappen und Gletscher, und manche Sommer brachten kaum zu ertragende Hitze.
    Gerhard Schröder war mit seinen vorgezogenen Neuwahlen gescheitert, und am Wahlabend saß er wie betrunken im öffentlichen Fernsehen und machte alles Scheitern lächerlich. Doch ob er es glauben wollte oder nicht, Deutschland hatte nun zum ersten Mal eine Bundeskanzlerin, und während Angela Merkel sich ganz außerordentlich in die männlich geprägten Machtstrukturen einfügte, zog Edgar Konetzke sich nach seinen hohen Verlusten aus den Fonds- und Risikogeschäften zurück und fuhr auch seinen Bedarf an Luxus wieder zurück. Er betätigte sich in seinen vergleichsweise kleinen und gerissenen Geschäften, und eines davon war, Ihrem Stiefvater die sogenannten Familienpapiere zum Tod seines Bruders anzubieten. Mit der Kontaktaufnahme zu Kronhardt waren nun die Tage für sein Augenlicht gezählt.
    Der Porsche war verkauft, und Konetzke fuhr jetzt einen dieser modern gewordenen Geländewagen. Er hatte eine Klimaanlage an Bord, und während sich in der Atmosphäre die Ozonschicht auflöste, tuckerte er mit der Engelschen einfach nur durch die Stadt. Abends saßen sie dann auf der Dachterrasse, sprangen in den Pool, blickten über den Fluß und hatten Kokosnüsse und Rum. Später machten sie sich zurecht, reservierten beim Italiener, und nach dem Essen zogen sie mit den Studioleuten durch die Läden.
    Es geschah schließlich in einer heißen Augustnacht. Sie saßen im Horizonte; limettengrünes Ambiente, Ventilatoren, und niemand konnte gegen den Schweiß antrinken. Die Engelsche bekam Lust auf Kokain, sie wurde quirlig und wollte tanzen. Die Studioleute zogen mit ihr, nur Konetzke blieb im Horizonte und trank seine Caipirinhas.
    Als Verena auf den Hocker glitt, lag bereits in dieser arglosen Bewegung alle Essenz aus den Kaderschmieden, und sie hatte von Anfang an alles unter Kontrolle; Körperhaltung, Gesichtsausdruck und Wortwahl waren stets auf ein Ziel hin angepaßt, und wenn die Situation es notwendig machte, konnte sie jederzeit umschalten. Und Konetzke, bei aller Umtriebigkeit und aller Menschenkenntnis, hatte vom Kalten Krieg keine Ahnung, und so sezierte Verena seine Persönlichkeit und stimmte ihren Humor und ihr unscheinbares Locken darauf ab. Als sie schließlich die Zigarre anbrannte, war das vor allem ein Zeichen für Gregor. Ihr Zwillingsbruder wußte nun, daß alles nach festem Plan laufen würde. Er fuhr auf den Teerhof und verschaffte sich Zugang ins Penthouse.
    Und während Konetzke wie ein Pawlowscher Hund an Verena hing, stieß Gregor im Penthouse auf eine penible Ordnung; Geschäftspapiere, Versicherungen, alles war korrekt abgelegt. Die Ordner mit DDR -Aktivitäten waren chronologisch beschriftet und sauber geführt, und so waren auch die Papiere, die Konetzke der Russenhure abgeluchst hatte, auf Anhieb zu finden. Gregor, der damit gerechnet hatte, entweder Geheimfächer aufzustöbern oder aber Konetzke die Papiere abzufoltern, verließ das Penthouse, als wäre er nie dagewesen.
    Im Horizonte nahm er Kontakt zu seiner Schwester auf; Umwege, um an die Papiere zu kommen, waren nicht mehr nötig, und so lief die Zeit für Konetzkes Augen noch schneller ab. Es war alles Routine, und als Verena ihn in ihrem Auto hatte, bekam Konetzke ihre Kraft zu spüren; den auf Ausschaltung gebündelten Drill, und das letzte, was er in seinem Leben sah, war ihr immer unschärfer werdendes Gesicht.
    Dann stieg Gregor dazu, und während Verena bereits stadtauswärts lenkte, hielt er Konetzkes Kopf über den Sitz gebogen und arbeitete mit der Sicherheit eines Chirurgen. Zog Flüssigkeit aus einem Saugröhrchen, dann aus einem anderen, und die Tropfen aus der Kryptozoologie wirkten mit der gleichen Präzision wie der Drill aus den Kaderschmieden und von Wrangels väterliche Überordnung.
    Während Konetzke lernte, mit dem Blindenstock umzugehen, bescherte der zweite Bush-Präsident mit Flagge am Revers und Gott im Schädel der Welt weiterhin grandiose Schlachtfeste und kannibalische Heldentaten. Die gestürzten Doppeltürme
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