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Kristina, vergiß nicht

Kristina, vergiß nicht

Titel: Kristina, vergiß nicht
Autoren: Willi Faehrmann
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Bahnhof nach Sandberg. Herr Latour war noch nicht da. »Können wir nicht schon einmal vorbeigehen?«, fragte Großmutter ungeduldig.
    »Natürlich. Da drüben kann man den Apfelbaum schon sehen«, erklärte John.
    Das Gebäude war ein etwas heruntergekommenes niederrheinisches Taglöhnerhaus, getüncht die Mauern, grüne Holzblenden, ein gewaltiges Walmdach.
    »Sieht ganz gemütlich aus«, sagte Kristina.
    Mutter schien weniger begeistert. »Wird so ein alter Kasten nicht feucht sein?«, fragte sie.
    »Das kommt auf das Haus an«, sagte John. »Vater kennt es. Er sagt, es sei innen größer als außen.«
    Ein Kombiwagen stoppte scharf. Ein hagerer, großer Mann sprang behände heraus.
    »Sie sind die Bienmanns. Ich bin der Vater dieses Burschen.«
    Sie begrüßten sich kurz.
    »Sie sind sicher gespannt. Kommen Sie.«
    Er schellte. Ein etwa siebenjähriges Mädchen öffnete. »Mutter!«, schrie es. »Viele Leute, komm mal.«
    »Augenblick. Ich komme gleich.«
    Frau Kiefer rieb sich noch mit einem Handtuch die Hände trocken, als sie aus der Haustür trat.
    »Ach, Herr Latour. Sie kommen schon wegen des Hauses?«
    »Ja. Bienmanns sind begreiflicherweise neugierig.«
    »Natürlich. Kommen Sie doch herein. Ich muss eben die Bratkartoffeln auf den Herd stellen. Mein Mann kommt gleich vom Dienst. Aber sehen Sie sich nur überall um. Es ist zwar alles durcheinander, aber so ist das nun mal beim Umzug.« Sie lief durch die Diele bis zur Küchentür.
    »Theo«, schrie sie. »Komm runter, führe die Leute durch das Haus.« In großen Sätzen sprang ein Junge die Holzstufen herunter. »Hier unten ist nur die Küche, ein Badezimmer und«, er riss die Tür auf, die der Haustür gegenüberlag, »und hier unser Wohnzimmer.«
    Das Wohnzimmer nahm die ganze Breite des Hauses ein. Die Möbel waren schon zusammengestellt, Kisten standen halb gepackt auf dem Fußboden. Die eine Seite des Zimmers bildete von Wand zu Wand ein großes Fenster. Eine verglaste Tür führte in den Garten. Weit reichte der Blick über die kleine Stadt hin. Die niedrigen Häuser schienen sich um eine riesige Kirche zu scharen, die die verschachtelten Dächer weit überragte.
    Frau Kiefer löste ihren Sohn ab und trug ihm auf, den Herd genau nach fünf Minuten auf eine kleinere Einstellung zu schalten.
    »Sieht wild aus, nicht wahr?«
    »Ein sehr schönes Zimmer«, sagte Großmutter.
    »Aber sicher feucht?«, vermutete Mutter
    »Früher soll es ein feuchter Stall gewesen sein. Aber das Krankenhaus hat das Haus ganz neu ausbauen lassen, bevor wir es anmieteten.«
    »Das Krankenhaus?«, fragte Kristina.
    »Ach, wussten Sie das nicht? Das Haus gehört zum Krankenhaus.«
    »Ich hatte das nicht erwähnt«, antwortete John und wurde ein wenig verlegen.
    »Früher war es ein Haus für eine Landarbeiterfamilie, die auf unserem Hof gearbeitet hat«, erklärte Herr Latour. »Aber das Land ist mit einer Siedlung bebaut, der Hof abgebrochen. Dieses Häuschen hat eine typische niederrheinische Bauform und schien uns zu schade zum Abbruch.«
    »Gehn wir nach oben«, schlug Frau Kiefer vor. »Die Zimmer oben sind allerdings sehr klein.«
    »Aber fein«, krähte das blonde Mädchen.
    Das stimmte auch. Die Holzbalken der Decke waren schwarz vom Alter, die Wände weiß gekalkt.
    »Vier Zimmer«, sagte Kristina. »Wie für uns gemacht.«
    Frau Kiefer schnupperte und rief: »Theo, hast du die Kartoffeln vergessen?« – »Sofort, Mutter.«
    Sie stiegen die schmale Treppe hinunter.
    »Na, was sagen Sie?«, fragte Herr Latour.
    »Ja, ich weiß nicht recht«, sagte Mutter. »Es ist so weit zur Arbeit.«
    »Das ist richtig. Ich hörte, dass Sie in einem Büro beschäftigt waren. Ich könnte mir denken, dass Sie hier im Ort über kurz oder lang Arbeit finden. Ihr Mann als Ingenieur wird sicher weiter in die Großstadt fahren müssen.«
    »Was meinst du, Kristian?«
    »Mir macht die Fahrt nichts aus, Rosa. Du weißt ja, ich fahre gern mit dem Auto.«
    »Wenn ihr meinen Rat wollt«, sagte Großmutter mit Entschiedenheit, »dann nehmt das Haus. Es ist ein Haus zum Liebhaben.«
    »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen«, bestätigte Frau Kiefer. »Ich würde niemals hier wegziehen. Aber heiraten Sie mal einen Mann, der Offizier bei der Bundeswehr ist! Alle paar Jahre muss man sich an ein neues Haus gewöhnen. Ja, so ist das«, sie wandte sich an Mutter, »die Männer sind unser Ruin, nicht wahr?«
    Sie lachten.
    »Überlegen Sie es sich in Ruhe«, schlug Herr Latour vor. »Kiefers
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