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Kristina, vergiß nicht

Kristina, vergiß nicht

Titel: Kristina, vergiß nicht
Autoren: Willi Faehrmann
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Robos’ hinüberzugehen, denn Großmutters Husten war eher härter geworden. Ihre gewohnte Arbeit fiel ihr schwer. Oftmals am Tag legte sie sich erschöpft auf ihr Bett.
    Am Sonntag waren sie zu Mutter und Vater hinübergefahren. Großmutter hatte von dem Kuchen kaum gekostet und ziemlich teilnahmslos im Sessel gehockt.
    »Du musst zum Arzt, Mutter«, hatte Vater energisch gesagt. »Und zwar in der nächsten Woche. Wer weiß, was los ist.«
    »Es ist von selber gekommen, es wird von selber gehen«, war die Antwort gewesen.
    Ein ernster Hinweis darauf, dass es vielleicht etwas Ansteckendes sei, vielleicht die Lunge, hatte sie schließlich zu der Zusage bewogen: »Gut, wenn ihr’s unbedingt wollt, dann gehe ich die nächste Woche zum Arzt.«
    Am Freitag kam John zu spät in die Schule. Er legte Brandy einen Brief aufs Pult, als er mitten in der dritten Stunde hereinkam.
    »Was war?«, fragte Kristina ihn.
    »Ich habe vielleicht eine Wohnung für euch«, flüsterte er.
    »Kristina – John«, mahnte Brandy.
    In der Pause erzählte er ihr, sein Vater habe ihn darauf aufmerksam gemacht, dass nicht weit vom Bahnhof am Rande der Stadt ein altes, kleines Haus frei werde. Fünf Zimmer, Küche, sogar eine Heizung, ein verwilderter Garten, so groß, dass Wolf darin rennen und toben könne.
    »Wird viel zu teuer sein«, sagte Kristina.
    »Das glaube ich nicht. Ich hörte so etwas von rund vierhundert Mark.«
    »Viel Geld.«
    »Wenn das wirklich zu viel ist, dann bekommt ihr Wohngeld. Mein Vater will euch behilflich sein.«
    »Schön wäre es.« Kristina träumte den Rest der Schulstunden und malte auf ihren Block lauter kleine Häuser.
    Wie immer an den Freitagen ging John mit ihr von der Schule aus zur Lützmannstraße, weil freitags um drei die Hausarbeitsschule bei Robos’ für Kristina und John begann. Großmutter kochte für ihn mit. Aber an diesem Tag war die Tür verschlossen. Beunruhigt holte Kristina bei Frau Bronski den Schlüssel.
    »Oma ist zum Arzt. Sie wird wohl gleich zurückkommen.«
    Sie fanden das Essen in den Töpfen stehen und einen Zettel, dass sie das Essen aufwärmen sollten. Kristina deckte den Tisch für drei.
    Endlich kam Großmutter, müde Schritte im Flur, langsames Öffnen der Tür. »Was ist, Großmutter?«
    Sie schloss die Tür hinter sich und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Holz.
    »Ich muss ins Krankenhaus. Anfang nächster Woche.«
    »Was sagt der Arzt, was hast du?« Kristina sprach aufgeregt, schnell.
    Großmutter setzte sich an den Tisch, starrte auf den Teller, hob schließlich die Schultern und sagte: »Genaueres wissen sie nicht. Es ist wahrscheinlich ein Gewächs, hier, dicht unter der Schilddrüse.«
    Sie fasste sich mit der Hand an den Hals. »Sie sagen, dass meine Müdigkeit daher kommt. Es muss im Krankenhaus zunächst genau untersucht werden.«
    Zunächst, dachte Kristina.
    Es wurde eine schweigsame Mahlzeit.
    »Es gibt aber auch eine gute Nachricht«, sagte John. »Wir wollten es Ihnen zuerst sagen. Nicht weit von uns wird ein kleines Haus frei. Ein Einfamilienhaus, alt, aber sehr schön.«
    »Ein Haus?« Großmutter vergaß ihre Sorgen, erkundigte sich nach Miete und Größe, nach Ausstattung und Garten.
    »Und ein großer Apfelbaum gehört dazu. Steht gleich hinterm Zaun. Die Äpfel, die er trägt, schmecken gut.«
    »Woher weißt du das?«
    »Natürlich vom Probieren. Jeden Morgen, wenn ich zum Bahnhof gehe, komme ich an dem Baum vorbei. Ich sehe ihn Knospen treiben, grünen, blühen; betaste die schwellenden Früchte, weiß als Erster, wann die Äpfel zwar noch nicht reif, aber doch genießbar sind. Einen greife ich jeden Morgen im Vorbeigehen. Du merkst, wie die Herbstsonne die Säure wegkocht und Zucker daraus wird.«
    »Du bist mir vielleicht ein Chemiker«, lachte Kristina.
    »Ich will das Haus sehen, bevor ich ins Krankenhaus muss«, sagte Großmutter. Ohne einen Widerspruch zuzulassen, befahl sie: »Wenn ihr zu Robos’ geht, ruft Vater im Büro an. Macht einen Termin aus.«
    Es blieb nicht bei einem Telefonat. Vater sagte, er werde sich das Haus auf jeden Fall ansehen. Er könne gut verstehen, dass Großmutter mitwolle. Er werde mit der Mutter sprechen. Eisen müsse man schmieden, solange es heiß sei. Er hole sie um halb fünf in der Lützmannstraße ab.
    John telefonierte mit seinem Vater und auch der fand den Plan vernünftig. Er wollte gegen halb sechs am Bahnhof sein und sie erwarten.
    Vierzig Minuten brauchte das Auto von der Lützmannstraße bis zum
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