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Kristina, vergiß nicht

Kristina, vergiß nicht

Titel: Kristina, vergiß nicht
Autoren: Willi Faehrmann
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lang aufgeschossenen jungen Mann begrüßt.
    »Hej, Andrzej«, erwiderte Basia seinen Gruß.
    »Alles klar mit der Fahrt morgen?«
    »Beinahe alles.«
    Er griff nach den Gläsern, die vor ihm auf dem niedrigen Tischchen standen, und reichte zwei davon den Mädchen. Kristina betrachtete misstrauisch die wässrige, trübe Brühe. »Sieht aus wie Mäuseblut«, sagte sie.
    »Trink nur. Das ist meine Spezialproduktion. Schmeckt ausgezeichnet.«
    Kristina nippte an dem Glas. »Saurer Apfelsaft«, stellte sie fest.
    »Meine Mutter hat gestern einen großen Korb Äpfel aufgelesen. Ich werde noch mehr Saft daraus pressen und ihn bei unseren Clubabenden verkaufen.«
    »Kapitalist!«, neckte ihn Basia.
    Andrzej zog die Mädchen in eine Ecke.
    »Stellt euch vor«, sagte er, »wir haben Pferdewagen aufgetrieben. Die bringen uns morgen zum See.«
    »Das ist gut. Zehn Kilometer, das ist selbst für euch Sportler eine schöne Strecke zu Fuß.« Basia lachte. Sie stritt gern mit Andrzej und ließ keine Gelegenheit dazu aus.
    »Lass das. Ich habe Sorgen.« Andrzej reichte ihr eine Karte hinüber.
    Sie las. Die Popgruppe sagte ab. »Großartig. Ohne die Popgruppe, was werdet ihr machen?«, fragte Basia.
    Andrzej zuckte die Achseln.
    »Das Schlagzeug ist schnell gefunden.« Er wies zur Bühne hinüber, wo ein kleines Schlagzeug in einer Ecke aufgebaut stand. Witold konnte es leidlich bearbeiten.
    »Gitarre spielst du doch selbst.«
    »Gitarre und Schlagzeug, hej.«
    »Du willst gleich das Krakower Sinfonieorchester, was?«
    »Du hast ja keine Ahnung, Basia.«
    »Von Musik nicht viel, mein Lieber. Aber vom Organisieren, da hast du so viel Ahnung wie ein . . .«
    »Gedichtedrechsler«, warf Kristina bissig ein.
    Sofort war der Streit zwischen Basia und Andrzej beendet. Gemeinsam fielen sie über Kristina her.
    »Lass meine Gedichte aus dem Spiel!«, fauchte Andrzej und Basia stimmte ein: »Spotten, Täubchen, spotten kann jeder. Dabei weißt du doch selbst, wie das ist, wenn man in der Klemme sitzt. Magenschmerzen und so.«
    »War doch nicht böse gemeint«, antwortete Kristina.
    »Nicht so gemeint? Dann lass das!«
    Kristina fasste sich an den Kopf. »Man meint, ihr wärt im Tollhaus. Was ist denn? Nehmt halt ein Transistorgerät mit, wenn es nicht anders geht.«
    Basia schürzte verächtlich die Lippen. »Transistor! Wenn ich das schon höre! Nachrichten. Vortrag des Genossen XY über die Steigerung des Milchertrags. Und dann kriegst du aus dem Ding nur so viel Lärm heraus, dass nicht einmal die Enten am See auffliegen.«
    »Lärm und Musik, das ist bei dir dasselbe. Das habe ich mir gedacht«, lachte Kristina.
    »Täubchen, Musik, das ist für mich, wenn das Brustbein anfängt zu schwingen. Hier drinnen muss es dröhnen.«
    Basia hatte sich zu Kristina gebeugt und schlug sich gegen die Brust.
    Dann wandte sie sich ab.
    »Aber was weißt du denn von solcher Musik? Flöte! Wenn ich das schon höre! ›Meiner Flöte süße Töne . . .‹«, rezitierte sie mit komisch gepresster Stimme.
    Eine kleine Gruppe sammelte sich um die Streithähne.
    »Jetzt hast du keine Ahnung, Basia. Ich flöte deinen Andrzej mit seiner Gitarre und Witold mit dem Schlagzeug an die Wand.«
    »Gemacht, Schwester. Dann haben wir ja eine Band«, rief Janec. »Ich spiele die Mundharmonika dazu.«
    Basia verschlug es die Sprache.
    Andrzej aber war Feuer und Flamme. »Wir müssen uns einspielen. Ich hole meine Gitarre und laufe gleich bei Witold vorbei. Ich bringe ihn mit. Sagen wir«, er schaute auf die Uhr, »sagen wir in einer Stunde.«
    »Unmöglich«, sagte Kristina.
    »Kriegst Angst, Täubchen, vor deiner eigenen Courage, was?«, knurrte Basia.
    »Angst?« Janec ergriff Kristinas Partei. »Angst vor euch Straßenmusikanten? Kristina spielt, dass nicht nur der Ton dir die Brust sprengt. Sie spielt so, dass dir die Sohlen brennen wie dem Tanzbären auf dem heißen Blech.«
    »Ja, was ist dann? Angst hat sie nicht, aber sie sagt: unmöglich.«
    »Die Alte«, antwortete Janec und verzog sein Gesicht gurkensauer.
    »Großmutter denkt, ich pauke Mathe mit dir, Basia. Wenn ich jetzt komme und will die Flöte holen . . .«
    »Wo liegt die Flöte, Kristina?«, fragte Janec.
    »Auf dem Fensterbrett im Kasten.«
    »Ich hole sie. Ich wollte die Alte längst mal wieder besuchen.«
    »Sie wird die Flöte nicht rausrücken.«
    »Ich werde nicht ›dzien dobry‹ sagen, sondern ›gutten Abbend‹. Sie wird hin sein, wenn sie mich deutsch erlebt.«
    »Na, viel Glück.«
    Janec
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