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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2
Autoren: Sigrid Undset
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wußte, daß sie nicht viele Freunde besaß hier in ihrer eigenen Heimat, auch sie nicht. Jetzt nicht mehr ...
    Kristin reckte sich in dem moosbraunen Friesgewand auf, beschattete mit der Hand die Augen gegen den goldenen Strom der Nachmittagssonne.
    Sie sah wie durch einen Spalt ein Stück des Tales längs dem weißgrünen Band des Flusses und dann die sich drängenden Leiber der Berge, einer hinter dem anderen, graugelb von Geröll und Flechten, weit hinaus, bis Gletscher und Wolken in Felseinschnitten und Klüften in eins verschwanden. Ihr gerade gegenüber schob der Rostkamm sein Knie vor und schnürte das Tal ein. Der Fluß mußte in seinem Lauf einen Winkel machen; mit fernem Ton donnerte er bis zu ihr herauf, wie er sich so tief unten durch die Felsen hindurcharbeitete und schäumend und kochend von einer Stufe zur anderen stürzte. - Dicht bei dem flechtenüberzogenen Berg über dem Kamm wogten die beiden mächtigen Blauhöhlen, die ihr Vater mit zwei Frauenbrüsten verglichen hatte.
    Erlend mußte es so Vorkommen, als sei es hier abgesperrt und häßlich - schwer zu atmen ...
    Ein Stück entfernt an diesem selben Hang hatte sie das Elfenmädchen gesehen, damals als kleines Kind ...
    Ein sanftes, weiches, schönes Kind mit üppigem Seidenhaar rings um runde, rote und weiße Wangen ... Kristin schloß die Augen, wandte ihr sonnverbranntes Gesicht der Lichtflut entgegen. Eine junge Mutter mit milchstraffen Brüsten und einem Herzen, nach der Geburt umgebrochen und fruchtbar wie ein frischgepflügter Acker - ja. Aber für eine Frau wie sie hatte es gewiß keine Gefahr; sie mochte wohl kaum einer zu sich hineinziehen. Der Bergkönig würde wohl finden, daß sich sein Brautgold an solch abgezehrter und magerer Frau schlecht ausnähme; die Huldre würde kein Verlangen danach tragen, ihr Kind an ihre verdorrten Brüste zu legen. Hart und trocken empfand sie sich, wie diese Baumwurzel unter ihrem Fuß, die sich um den Stein krümmte und festkrallte. In diesem Augenblick trat sie hart mit dem Absatz auf.
    Die zwei kleinen Burschen, die zu ihr hergekommen waren, beeilten sich, so zu tun wie die Mutter, sie stießen aus Leibeskräften nach der Wurzel und fragten dann eifrig:
    „Warum tut Ihr so, Mutter?“
    Kristin setzte sich hin, legte die Königskerzen in ihren Schoß und begann die offenen Blüten in den Korb abzustreifen.
    „Weil mich mein Schuh über den Zehen drückte“, antwortete sie so lange danach, daß die Knaben sich nicht mehr erinnerten, was sie gefragt hatten. Aber sie achteten nicht darauf - sie waren so daran gewöhnt, daß die Mutter nicht zu hören schien, wenn sie mit ihr sprachen, oder erst erwachte und Antwort gab, wenn sie selbst ihre Frage vergessen hatten.
    Lavrans half die Blüten von den Stengeln zu streifen; auch Munan wollte helfen, zerriß aber dabei nur die Blütenbüschel. Da nahm ihm die Mutter die Stengel weg, ohne etwas zu sagen, ohne Unwillen, nur in ihre Gedanken vertieft. Bald darauf begannen die Knaben zu spielen und mit den kahlen Stengeln, die sie beiseite geworfen hatte, aufeinander loszugehen.
    So trieben sie es dicht vor ihren Knien. Kristin betrachtete die beiden kleinen runden braunhaarigen Kinderköpfe. Noch waren die Knaben einander sehr ähnlich, ihr Haar hatte fast die gleiche hellbraune Farbe, aber die Mutter konnte doch an allerlei kleinen, undeutlichen Merkmalen und rasch aufblitzenden Anzeichen erkennen, daß sie einmal sehr verschieden sein würden. Munan würde ganz wie sein Vater werden: er hatte dessen hellblaue Augen und ebenso sein seidiges Haar, das sich weich und dicht um den schmalen Schädel legte, leicht gewellt und gekräuselt; mit der Zeit würde es noch rußschwarz werden. Sein kleines Gesicht, um Kinn und Wangen noch so rund, daß es eine Wollust war, die Hände um seine weiche Frische zu legen, würde, wenn er erst ein wenig älter war, schmal werden und sich zu langen Zügen strecken; auch er würde die hohe schmale Stirn mit den eingeschwungenen Schläfen bekommen, das gerade vorspringende Dreieck als Nase, scharf und schmal über dem Rücken, mit dünnen unruhigen Nasenflügeln, wie Naakkve sie bereits hatte und die Zwillinge schon deutlich zu bekommen versprachen.
    Lavrans hatte, als er klein war, flachsgelbes, seidenfeines und gelocktes Haar gehabt. Jetzt war es etwa von der Farbe der Haselnüsse, aber in der Sonne glänzte es wie Gold. Es war völlig glatt, zwar ganz weich, aber dennoch viel gröber, gleichsam üppiger, zu dicht und zu tief,
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