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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2
Autoren: Sigrid Undset
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der vom Tal aus zwischen den Hängen hinaufkroch -nein, dies schien nicht einmal mehr ihr das schönste und sicherste Heim in der Welt. Hier war alles verschlossen. Erlend mußte wohl finden, daß es hier häßlich und beengt und unerträglich war.
    Aber niemand konnte ihm etwas anderes anmerken, als daß er sich wohl fühlte...
    An dem Tag, an dem das Stallvieh auf Jörundhof ins Freie gelassen wurde, vermochte sie es endlich zu sagen - am Abend, sie saßen bei der Mahlzeit. Erlend fischte gerade in der Schüssel nach einem guten Bissen - vor lauter Erstaunen vergaß er die Finger aus der Schüssel zu nehmen und starrte seine Frau nur an. Da sagte Kristin rasch - es wäre hauptsächlich wegen dieser Halskrankheit, die unter den kleinen Kindern im Tal herrsche. Munan sei so wenig kräftig, sie wolle ihn und Lavrans mit ins Gebirge hinaufnehmen.
    Ja, meinte Erlend. Dann sei es doch wohl geraten, auch Ivar und Skule mitzunehmen.
    Die Zwillinge sprangen hoch von ihrer Bank auf. Und während der ganzen übrigen Mahlzeit redeten sie eifrig drauflos. Sie wollten dann Erling begleiten, der im Norden droben zwischen den Graubergen die Schafe hüten sollte. Drei Jahre zuvor hatten Schafhirten von Sil einen Schafdieb aufgespürt und ihn bei seiner Steinhütte drinnen zwischen den Eberbergen getötet -es war ein Geächteter aus dem Östertal gewesen. Gleich nachdem das Hausgesinde sich vom Tisch erhoben hatte, holten Ivar und Skule ihre sämtlichen Waffen in die Stube herein und machten sich damit zu schaffen.
    Ein wenig später am Abend ging Kristin mit den Töchtern Simon Andressohns und ihren eigenen Söhnen Gaute und Lavrans in südlicher Richtung durch das Tal. Arngjerd Simonstochter hatte fast den größten Teil dieses Winters auf Jörundhof verbracht. Das Mädchen war jetzt fünfzehn Jahre alt, und Simon hatte während der Weihnachtstage auf Formo einmal geäußert, daß Arngjerd jetzt etwas mehr lernen müsse als das, was man ihr daheim beibringen könne; sie sei schon ebenso tüchtig wie die Dienstmägde. Da erbot sich Kristin, das Mädchen mit sich heimzunehmen und sie zu erziehen, so gut sie vermochte, denn sie begriff, daß Simon diese Tochter herzlich liebhatte und viel an ihre Zukunft dachte. Und dem Kind konnte es wohl not tun, eine andere Art Hauswirtschaft zu lernen als die auf Formo. Simon Andressohn war jetzt nach dem Tode beider Eltern seiner Frau einer der reichsten Männer im Tal. Er verwaltete seine Besitztümer umsichtig und verständig und betrieb die Hofwirtschaft auf Formo mit Eifer und Tüchtigkeit. Aber im Haus selbst ging alles, wie es gerade mochte - die Dienstmägde wirtschafteten ganz allein. Und wenn Simon merkte, daß die Unordnung und die Schlamperei im Haus alle Grenzen überschritt, stellte er noch ein oder zwei Mägde ein, aber zu seiner Frau sprach er nie über derlei und schien auch weder zu wünschen noch zu erwarten, daß sie sich mehr auf ihre Hausfrauenpflichten besinne. Es war fast, als sehe er sie noch nicht für voll erwachsen an - aber er war sehr freundlich und fügsam zu Ramborg und überschüttete sie und seine Kinder zur Zeit und Unzeit mit Geschenken.
    Kristin gewann Arngjerd lieb, als sie das Mädchen kennenlernte. Schön war sie nicht, aber sie war klug, sanft, gutherzig und fleißig und hatte geschickte Hände. Wenn die Junge mit ihr im Haus umherging oder an den Abenden neben ihr in der Webstube saß, dachte Kristin oft, daß sie nun wünschte, eines ihrer Kinder wäre eine Tochter geworden. Eine Tochter mußte mehr bei ihrer Mutter sein ...
    Daran dachte sie jetzt an diesem Abend, während sie Lavrans bei der Hand führte und Gaute und Arngjerd, die vorausgingen, betrachtete. Ulvhild lief dahin und dorthin, zertrat die dünne Eisschicht auf den Wasserpfützen - sie spielte, sie sei irgendein Tier, und hatte ihren roten Umhang verkehrt angezogen, so daß das Futter aus weißem Hasenfell nach außen hing.
    Drunten im Tal verdichteten sich die Schatten über den kahlen und braunen Äckern zur Dämmerung. Die Luft des Frühlingsabends aber schien wie von Licht gesättigt. Die ersten Sterne funkelten feucht und weiß am Himmel auf, hoch droben, wo das wasserklare Grün des Himmels in Dunkelheit und Nacht verblaute. Über dem schwarzen Rand der Berge jenseits des Tales aber verweilte noch ein Streifen goldenen Lichts, und in seinem Widerschein leuchtete das Geröllfeld an der schroffen Bergseite, unter der sie dahingingen, hell auf. Ganz hoch droben, wo die Schneewächten an
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