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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2
Autoren: Sigrid Undset
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den Felskämmen überhingen, blinkte es im Schnee und glitzerte es auf den Firnfeldern, die weit herunterreichten und überall an den Hängen die brausenden und sprühenden Bäche gebaren. Die ganze Luft über dem Tal war von dem Laut des Wassers erfüllt - zuunterst tönte das heftige Rauschen des Flusses. Und aus allen Birkenhainen und den Gebüschen und überall aus dem Walde klang der Vogelsang.
    Einmal blieb Ulvhild stehen, hob einen Stein auf und warf ihn in die Richtung, aus der Vogelgezwitscher kam. Aber die große Schwester packte sie beim Arm. Da ging sie ein Stück weit ruhig mit, bald aber riß sie sich los und rannte den Hang hinunter - bis Gaute nach ihr rief.
    Sie waren ganz nahe jener Stelle, wo der Weg in den Fichtenwald hineinführte; aus dem Dickicht drinnen war ein Laut wie von einem Stahlbogen gekommen. Dort lag noch Schnee, und es roch kalt und frisch. Ein Stückchen weiter, auf einer kleinen Lichtung, stand Erlend mit Ivar und Skule. Ivar hatte nach einem Eichhörnchen geschossen; der Pfeil stak hoch oben in einem Fichtenstamm, und Ivar wollte ihn wieder herunterholen. Er schleuderte einen Stein nach dem anderen hinauf. Und es sang in dem mächtigen Baum, wenn er den Stamm traf.
    „Wart ein wenig, dann will ich versuchen, ob ich ihn dir herunterschießen kann“, sagte der Vater. Er schüttelte den Umhang über die Schultern zurück, legte einen Pfeil an den Bogen an und zielte, ziemlich achtlos in dem unsicheren Licht hier zwischen den Bäumen. Die Sehne sang auf, der Pfeil pfiff durch die Luft und bohrte sich dicht neben dem des Knaben in den Stamm. Erlend nahm noch einen Pfeil und schoß wiederum - der eine der beiden Pfeile im Stamm glitt raschelnd von einem Ast zum anderen herab. An dem anderen Pfeil war das Ende zersplittert, aber die Spitze stak noch im Baum.
    Skule lief in den Schnee hinaus, um die beiden Pfeile aufzuheben. Ivar stand noch da und starrte in den Wipfel des Baumes hinauf.
    „Mein Pfeil sitzt noch fest, Vater! Er steckt bis an den Schaft drin - das war ein kräftiger Schuß, Vater!“ Nun begann er Gaute zu erklären, warum er das Eichhörnchen nicht getroffen hatte...
    Erlend lachte leise und zog seinen Umhang wieder zurecht.
    „Willst du jetzt umkehren, Kristin? Ich muß mich auf den Heimweg machen - wir wollen morgen in aller Frühe auf die Auerhahnjagd, Naakkve und ich ...“
    Kristin antwortete rasch, nein, sie wolle die Mädchen bis zum Hof begleiten - sie möchte heute abend ein paar Worte mit ihrer Schwester sprechen.
    „Da können Ivar und Skule mit der Mutter gehen und sie heimbegleiten - wenn ich mit Euch gehen darf, Vater?“ sagte Gaute.
    Erlend hob Ulvhild Simonstochter zum Abschied in seine Arme auf. Und weil sie so schön und rot und frisch war, mit den braunen Locken unter der weißen Pelzhaube, küßte er sie, ehe er sie zur Erde ließ, drehte sich um und ging mit Gaute heimwärts.
    Jetzt, da Erlend nichts anderes zu tun hatte, war er immer mit einem seiner Söhne zusammen. - Ulvhild ergriff die Hand ihrer Muhme und ging eine Weile an ihrer Seite - dann lief sie wieder davon, stürmte zwischen Ivar und Skule dahin. Ja, sie war ein liebliches Kind - aber wild und unlenksam. Hätten sie eine Tochter gehabt, so hätte Erlend wohl auch immer mit ihr gespielt und gescherzt...
    Als sie auf Formo ins Haus traten, war Simon allein mit seinem kleinen Jungen in der Stube. Er saß im Hochsitz mitten vor dem Langtisch und betrachtete Andres; das Kind kniete auf der äußeren Bank und spielte mit ein paar alten Holznägeln, bemühte sich, die Nägel auf den Köpfen zum Stehen zu bringen. Kaum hatte Ulvhild dies gesehen, so vergaß sie, ihren Vater zu begrüßen; sie setzte sich dicht neben ihren Bruder auf die Bank, packte ihn am Genick und stieß ihm den Kopf gegen die Tischplatte, während sie schrie, dies seien ihre Nägel, der Vater selbst habe sie ihr gegeben.
    Simon erhob sich und wollte die Kinder trennen; dabei stieß er eine kleine Tonschüssel um, die dicht bei seinem Ellbogen gestanden hatte. Sie fiel zu Boden und ging in Scherben.
    Arngjerd kroch unter den Tisch und hob die Stücke auf. Simon nahm sie ihr ab und sah sie sehr unglücklich an. „Da wird deine Mutter sehr zornig werden!“ Es war eine kleine, schön mit Blumen bemalte Schüssel aus glänzendweißem Ton gewesen, die Herr Andres Darre aus Frankreich mit heimgebracht hatte;
    Helga hatte sie von ihm bekommen und sie wiederum Ramborg geschenkt, erklärte Simon; die Frauen erachteten sie für
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