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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2
Autoren: Sigrid Undset
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von einer Liebe, die über sie ausgeschüttet worden war - und trotz ihrem eigenen Willen, trotz ihrem schweren erdgebundenen Sinn hatte etwas von dieser Liebe in ihr weiter gelebt, hatte in ihr gewirkt wie die Sonne in der Erde, hatte eine Saat hervorgebracht, die weder das heißeste Feuer der Liebe noch der stürmende Zornesmut der Liebe ganz hatten vernichten können. Eine Dienerin Gottes war sie gewesen -eine widerspenstige, unwillige Magd, meist eine Augendienerin in ihren Gebeten und untreu in ihrem Herzen, faul und nachlässig, ohne Geduld während der Züchtigung, wenig ausdauernd in ihren Taten, trotzdem hatte er sie in seinem Dienst behalten, und unter dem glitzernden goldenen Ring war sie heimlich gezeichnet worden, daß sie seine Dienerin sei, dem Herrn und König gehöre, der jetzt kam, getragen von den geweihten Händen des Priesters, um ihr Freiheit und Erlösung zu bringen.
    Gleich nachdem Sira Eiliv ihr die Letzte Ölung gegeben und die Wegzehrung gereicht hatte, verlor Kristin Lavranstochter wiederum die Besinnung. Mit brennendem Fieber lag sie da, von schweren Blutstürzen gequält, und der Priester, der bei ihr blieb, sagte zu den Nonnen, daß es wohl rasch mit ihr gehen würde.
    Ein paarmal war die Sterbende so weit bei Besinnung, daß sie das eine oder andere Gesicht erkannte - Sira Eiliv, die Schwestern, Frau Ragnhild selber war einmal da, und auch Ulv sah sie. Sie bemühte sich, zu zeigen, daß sie die anderen erkannte und wie gut es ihr tat, daß sie bei ihr waren und ihr wohlwollten. Aber für die, die bei ihr standen, war es nur, als bewege sie die Hände im Todeskampf.
    Einmal sah sie Munans Gesicht - ihr kleiner Sohn lugte von einem Türspalt her zu ihr herein. Dann zog er seinen Kopf wieder zurück, und die Mutter lag da und starrte zur Türe hin, ob der Knabe nicht wieder hereinschauen würde. Statt dessen jedoch kam Frau Ragnhild und strich ihr mit einem nassen Tuch über das Gesicht, und auch das tat gut. - Dann verschwand alles in einem dunkelroten Nebel und in einem Dröhnen, das zuerst erschreckend zunahm, nach und nach aber erstarb; und der rote Nebel wurde immer dünner und lichter und war zuletzt wie ein feiner Morgennebel, ehe die Sonne durch-
    bricht, und es war vollkommen lautlos, und sie wußte, daß sie jetzt starb ...
    Sira Eiliv und Ulv Haldorssohn verließen miteinander die Tote. In der Tür, die zum Klosterhof hinausführte, blieben sie stehen.
    Es war Schnee gefallen. Keiner von denen, die bei Kristin gesessen hatten, während sie den Todeskampf auskämpfte, hatte dies bemerkt. Der weiße Widerschein blendete seltsam von dem steilen Dach der Kirche herüber; der Turm leuchtete gegen den graubewölkten Himmel auf. Fein und weiß lag der Schnee auf allen Fenstereinfassungen und allen Vorsprüngen und hob sich von den Wänden der Kirche und dem grauen, behauenen Stein ab. Und es war, als zögerten die beiden Männer, ehe sie es über sich brachten, die dünne Decke von Neuschnee mit ihren Fußspuren zu zeichnen.
    Sie sogen die Luft ein. Nach dem erstickenden Geruch, der stets um einen Pestkranken herrscht, schmeckte sie süß, kühl, gleichsam ein wenig leer und dünn, aber es war, als habe dieser Schneefall Seuche und Ansteckung aus der Luft genommen -die Luft war gut wie frisches Wasser.
    Die Glocken im Turm begannen wieder zu läuten - die beiden Männer blickten dort hinauf, wo sie sich hinter den Schalllöchern bewegten. Kleine Schneekörner lösten sich durch die Erschütterung vom Dach des Turmes, rollten herab und bildeten kleine Kugeln, und in ihrer Bahn sah man ein wenig von den schwarzen Schindeln.
    „Liegenbleiben wird dieser Schnee wohl kaum“, sagte Ulv.
    „Nein, der taut wohl noch vor dem Abend weg“, antwortete der Priester. Die Wolken hatten bleiche goldene Risse, und es fiel ein schwacher, gleichsam prüfender Sonnenstrahl auf den Schnee.
    Die Männer blieben stehen, dann sagte Ulv Haldorssohn leise:
    „Ich denke daran, Sira Eiliv - daß ich der Kirche hier ein Stück Land schenken will - und einen Becher, den sie mir als Erbstück von Lavrans Björgulvssohn gab - eine Messe für sie stiften will - und für meine Pflegesöhne - und für ihn, Erlend, meinen Verwandten ..."
    Der Priester antwortete ebenso leise und sah dabei den Mann nicht an: „Auch mich dünkt, daß du den Drang fühlen müßtest, Ihm deinen Dank zu zeigen, Ihm, der dich gestern abend hierhergeführt hat; du kannst wohl zufrieden damit sein, daß du ihr helfen durftest, diese Nacht
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