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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Autoren: Karlheinz Deschner
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indirekt gemildert, entschärft wird, marginal und weit weg vom Kern, vom Proprium. Denn Basis des edlen Ganzen ist und bleibt »die allgemeine Wahrheit des Evangeliums und der Dogmen«, »Luthers großartige reformatorische Überzeugung«. Damit hat jedoch seine Judenfeindschaft nichts zu tun. Sie ist nämlich »vorlutherisch«, ist ausgesprochen »altdogmatisch«, »spätmittelalterlich« – ist »durchweg nicht auf dem Boden seiner eigenen Theologie gewachsen«, sondern entstammt »vorreformatorischer Judenfeindlichkeit« etc. 47
    Nun ist all dies ja goldrichtig. Doch entlastet es Luther? Hätte er es denn übernehmen müssen? Aber als er es übernahm, als er die tradierte Judenfeindschaft in Theorie und Praxis propagierte, war diese Judenfeindschaft eben nicht mehr nur »vorlutherisch«, sie war auch lutherisch. War sie nicht mehr nur »vorreformatorisch«, sie war auch reformatorisch. War sie nicht mehr nur »spätmittelalterlich«, sie war auch frühneuzeitlich. Sie gehörte eben jetzt nicht »nicht zur reformatorischen Theologie«, sie gehörte jetzt dazu!
    Freilich hat Lutheraner Bienert wieder recht, erkennt er das alles als »zeitgeschichtlich-bedingt«.
    Doch zeitgeschichtlich-bedingt war auch die ganze Reformation, zeitgeschichtlich-bedingt waren der Dreißigjährige Krieg und der Erste Weltkrieg und der Zweite und all die hundert und mehr Kriege und Interventionen der USA in der jüngsten Vergangenheit und die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Denn »zeitgeschichtlich-bedingt« ist nur eine dummflaue Ausflucht, ist nur die ebenso nichtssagende Erklärung wie vielsagende Exkulpation nicht zuletzt auch vieler Historiker, deren sie sich schämen sollten, könnten sie sich schämen. Scham aber ist auch ihre Sache nicht – eher versinken wohl, zeitgeschichtlich-bedingt, unsere fünf Kontinente ...
    Doch Lutheraner Bienert will alles aus der »zeitgeschichtlichen Situation« heraus verstanden wissen, »in die hinein Luther sprach« und die »an noch Schlimmeres gewöhnt war«. Noch Schlimmeres. Der gute Luther! Dürfen wir Bienert so verstehen? Zumindest spricht er jetzt gleich von »Luthers Rat zum Anzünden der Synagogen« und stellt fest – damit wir den Reformator ja richtig »im Gesamtzusammenhang mit der zeitgeschichtlichen Situation« sehen, daß damals ja »die meisten Synagogen in der Zeit nach 1349« (vgl. VII 437 ff.) »schon verbrannt worden waren«. »Mindestens 300 Synagogen«, trumpft der Theologe au f. Somit kann da der Rest wohl gar nicht mehr so groß, Luther wieder nicht so schlimm gewesen sein? Jedenfalls, beruhigt sein kundiger Gefolgsmann, war Luthers Rat, die Synagogen zu verbrennen, »damals nichts Außergewöhnliches«, er war »von vielen Kirchenmännern vorher und gleichzeitig erteilt worden« und – er kam, Herz, was wünschst du mehr!, »der Volksstimmung entgegen«. 48
    Nicht anders steht es mit Luthers Empfehlung der Bücherverbrennung. Die »berühmteste Universität des Abendlandes in Paris« war da längst vorangegangen, andere Universitäten waren mehr oder weniger gefolgt, und auch sonst befand sich der Reformator wieder »in Übereinstimmung mit vielen bedeutenden Männern seiner Zeit«.
    Und nun gar erst die Anregung zur Vertreibung der Juden!
    Ja, das war doch »damals ohnehin landauf, landab üblich«, der Jude übrigens deshalb, wie der Lutheraner einräumt, »kaum irgendwo willkommen«. Gleichwohl, im christlichen Abendland ein guter alter Brauch. Bienert zählt beredt auf: England, Frankreich, Spanien, Portugal, er nennt Dutzende von Judenexilierungen in Deutschland, was solls – »Luther war auch hierin ein Kind seiner Zeit und im politischen Bereich weitgehend vom Zeitgeist irregeführt.« Ja, der Zeitgeist wieder (vgl. I 56 f.), ein ganz besonders schöner Geist, zumindest für so viele in die Retrospektive versunkene Theologen und Historiker, und so eng verwandt doch auch dem Zeitbedingten, Zeitgeschichtlichbedingten. Und selbst wenn Luther grober formulierte, man solle die Juden »wie die tollen Hunde ausjagen«, hatte er auch da schon sozusagen Vorläufer, Vorformulierer.
    Gab es doch überhaupt brutalere Naturen. Zumal was das Töten von Menschen betrifft, habe der Reformator noch nicht mal, man denke, »die Brutalität vieler seiner Zeitgenossen erreicht«. Der gute Luther! Ja, er habe ganz den »Weg zur Tötung Andersgläubiger« vermieden. Wirklich? Und die Tötung der Täufer? Die Tötung der Hexen? Von den Bauern zu schweigen.
    Aber die
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