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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Autoren: Karlheinz Deschner
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Laien aus.

Auch der niedere Klerus bediente sich

    Fast alles »Geistliche« wurde eben – wie ja noch heute – zum Geschäft, von der Geburt über die Trauung bis zum Sterbefall und Begräbnis. Gewiß, ein Kleriker
mußte
nicht, was oft vorkam, aus Geiz oder Profitsucht, aus Existenzangst, Geld als Handwerker verdienen, als Clown, als Kneipier oder Wucherer, als Spielhöllen- oder Puffbetreiber, mußte nicht handgreiflich die eigenen Kirchen bestehlen oder Reisende als Räuber ausrauben, wobei sie »selbst Boten mit Post für den Papst nicht schonten«. »Sie mischen sich«, klagt ein zeitgenössischer geistlicher Kritiker, »in die Schauspielbänke und in die Gefolgschaften der Weiber, in öffentliche Gelage und in das unehrenhafte Leben mit Zinsen und schimpflichen Betrügereien, in Liebe zum Gelde, in weltliche Händel und Geschäfte.« Viele, entfuhr es Papst Honorius III. (VII 215 ff.), seien mehr Kaufleute als Kleriker.
    Doch konnte man, und nur darum geht es hier, mit dem »Geistlichen«, dem »Heiligen« selbst handeln, mit der Weihe ganzer Kirchen und allem »Gottesdienstlichem« darin und darum herum. Man konnte Geld für vieles entziehen, für den Eintritt in den Klerus, ins Kloster, für das Verscherbeln von Salböl oder Hostien, für den Verkauf der Stimme auf Synoden oder vor Gericht. Man konnte Hochzeit und Begräbnis, das Abendmahl sogar verweigern, bis das Monetäre, der Nervus rerum, im voraus beglichen war.
    Den Verkauf der Taufe hatte die Synode von Elvira im frühen 4. Jahrhundert verboten, ja, noch im siebten die Synode von Mérida mit dreimonatiger Exkommunikation bedroht, bereits ein freiwilliges Geschenk freilich für die Taufe erlaubt. Und im 8. Jahrhundert gestattete sogar Erzbischof Chrodegang von Metz, einer Familie doch »allerersten fränkischen Adels« entsprungen, auch »Nachfolger des Bonifatius« (Oexle), der »oberste ... Bischof des Reiches« (W. Hartmann) – und heilig, seinen Kanonikern das Beichtgeld, schon damals »confessiones« genannt, einzustecken. 23
    Vielleicht aber sprang mehr noch bei einer anderen Betätigung der Priester heraus, beim hl. Messelesen, und zwar nicht an geistlichen, an liturgischen Gnaden, das versteht sich, meine ich, von selbst, sondern schlicht finanziell. Denn war auch die Zeit noch fern, »wo Hochamt und Großmarkt«, wie Karl Kraus spottet, »in dem Einheitsbegriff jener ›Messe‹ verschmelzen, die die Gelegenheit für Händler und Mysterienschwindler bedeutet«, ein nicht zu unterschätzender Ansatz dazu entstand einst durch das, was die historische Forschung als »Sieg des Messegedankens« herausstellt –, »Fest-, Sonntags- und Ferial(Wochentags)messen, Weihnachts- und Ostermessen, Stations-(Prozessions-) und Heiligenmessen, Kloster- und Königsmessen, Tauf- und Brautmessen, Toten- und Votivmessen, Messen gegen Viehseuchen, Dürre und schlechte Obrigkeit, für den Frieden, Gesundheit und Fruchtbarkeit der Weiber, und nachdem man einmal tägliche Messen (missae quotidianae) nötig gefunden, hatte schließlich jeder Tag seine besondere Messe« (von Schubert).
    Und sein besonderes Heil. Für den Klerus wie für die schlichte Laienseele. Denn da Gottes Tempel sich stets mehrten – im Münsterland, beispielsweise, wuchs die Zahl der Pfarrkirchen von einem runden Dutzend um 800 auf 45 um 900, auf 140 um 1300 –, mehrten sich natürlich auch die Altäre. Und mit den Altären mehrten sich die Meßpfründen. Und so lasen die Geistlichen jetzt Messen, lasen sie räumlich nebeneinander, zeitlich hintereinander, lasen sie an wechselnden Orten, zu allen möglichen Heils- und Unheilsanlässen, lasen sie für Gesunde und Kranke, Lebende und Tote, für Brautpaare, Eheleute, Pilger etc. 24
    Auch das geistliche Geschäft aber bringt, wie jedes Geschäft, Konkurrenzneid, bringt Konkurrenzkamp f. Und so stritten jetzt (gewiß nicht nur) in Straßburg die Pfarrer heftig mit den Bettelmönchen, den Dominikanern, den Franziskanern, durch das ganze Spätmittelalter um die Pfarrechte, die »Seelsorge«, den Sonntagsgottesdienst, die Sakramentenspendung, die Predigt. Sie befehdeten sich noch von den Kanzeln herab, besonders um das Beichthören, doch auch um Begräbnisse, da die Mönche Pfarrmitglieder, die dies wünschten, auf Klosterfriedhöfen begruben. Der Pfarrklerus verlangte deshalb von den Angehörigen aller auf einem Mönchsfriedhof Bestatteten das »Ultimum vale«, angeblich 10 bis 50 Gulden. (Schon die irische Kirche der Frühzeit strich
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