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Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit

Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit
Autoren: Karlheinz Deschner
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lieber getan. So jedoch schrieb er dem Kaiser – und ein großer Teil der Welt, auch der gelehrten, bewundert das noch heute! – im Mai 390 einen Brief, ausdrücklich nur zur persönlichen Lektüre. Nicht ohne Verständnis erinnert er an Theodosius' »heftiges Temperament«, wäre aber bekümmert, würde ihn, »ein Muster erlesener Frömmigkeit«, »die höchste Milde«, »der Untergang so vieler Unschuldiger nicht schmerzen«. Dabei beteuert Ambrosius freilich: »Dies schreibe ich nicht, um Euch zu beschämen.« »Zur Beschimpfung habe ich keinen Grund.« »Ich liebe Euch, ich verehre Euch.« Nein, bloß den Schein wollte der Kirchenmann wahren, den blassesten Schimmer wenigstens geistlicher Autorität. 92
    Die »Bußdisziplin« betraf nun einmal alle. Eine Frau – zum Vergleich – mußte damals für eine Abtreibung lebenslänglich büßen. Lebenslänglich büßten mancherorts auch Priesterwitwen, die wieder heirateten; oder Gläubige, die den Bruder oder die Schwester ihres verstorbenen Mannes ehelichten. Von Mördern zu schweigen! Buße jedoch bedeutete: Tragen eines härenen Sacks, Fahr- und Reitverbot, dauerndes Fasten, ausgenommen Sonn- und Feiertage, fast immer auch ständige Enthaltung vom Sexualverkehr und anderes –
lebenslänglich
also schon für eine Abtreibung oder gewisse Verwandtenehen! Dem
Mörder Tausender
aber erlegte Ambrosius jetzt auf,
einmal
in der Kirche unter den Büßenden zu sitzen! 93
    Bei einem Kaiser geht es eben bloß um die Geste, das Prinzip. Daß freilich die grundsätzliche Fügsamkeit gegenüber dem Klerus diesem
alles
bedeutet, ein Mord an Tausenden im Grunde
nichts,
beweist auch Augustins Kommentar, dem sich das Blutbad zu einem herrlichen Exempel evangelischer humilitas verklärt – eingeflochten auch noch in Theodosius' generelle Glorifizierung als ideale christliche Herrschergestalt: »
Doch das Erstaunlichste von allem war seine fromme Demut.
Er hatte sich nämlich durch das stürmische Drängen einiger Männer seiner Umgebung hinreißen lassen,
den schweren Frevel der Thessalonicher,
obwohl er ihn auf bischöfliche Fürsprache bereits verziehen hatte, doch noch zu bestrafen, und leistete nun, in kirchliche Zucht genommen, in einer Weise Buße,
daß das für ihn bittende Volk beim Anblick seiner in den Staub gebeugten kaiserlichen Hoheit bitterlicher weinte, als wenn es seinen Zorn wegen eines Vergehens gefürchtet hätte. Diese und ähnliche gute Werke,
die aufzuzählen zu weitläufig wäre, nahm er mit sich hinauf
aus dem irdischen Nebel, der alle menschlichen Gipfel und Hoheiten umhüllt. Ihr Lohn ist die ewige Seligkeit, die Gott nur dem wahrhaft Frommen verleiht.
« 94
    Ein entlarvender Text. Dient die Ermordung Tausender, um einen einzigen zu rächen – das befahl selbst Hitler nie –, für Kirchenlehrer Augustin doch nur zum Demonstrieren der »frommen Demut« eines Kaisers! Und während der Heilige das ungeheuere Gemetzel diskret übergeht, betont er »den schweren Frevel der Thessalonicher«! Während er kein Wort verliert über die Schlachtung so vieler Unschuldiger, läßt er den Mörder wegen seiner Pseudobuße beweinen; »bitterlicher« sogar, als wäre man selber zum Opfer seines Zorns geworden! Präsentiert er die allerhöchste Sühnegeste – Traumfrucht gleichsam eines Massenmords – unter dem Stichwort »gute Werke«! Zählt er den Bluthund zu den »wahrhaft Frommen« und verheißt ihm »ewige Seligkeit«!
    Kaum wahrnehmbar aber die Untat: raffiniert verdreht im
Bestrafungshinweis
auf das
Verbrechen der Bevölkerung;
und, rhetorisch bestrickend, in jenem »irdischen Nebel, der alle menschlichen Gipfel und Hoheiten umhüllt«. Wirklich gut gesagt. Denn was zählt, ist allein die Unterwerfung unter den Klerus; das größte Geschichtsverbrechen daneben bloß ein bißchen Nebel, Wasserdampf, nichts!
    Wir haben hier den ersten »Fürstenspiegel« eines christlichen Herrschers vor uns, ein Fürstenideal, das besonders die Gestalt Christi, des Königs, zum Vorbild des Kaisers macht und entscheidend fortwirken sollte in die germanische Welt! Der Augustinuskenner Peter Brown zählt dies augustinische »Porträt« von Theodosius, ebenso wie das von Kaiser Konstantin, zu »den größten Kitschpartien (the most shoddy passages) des ›Gottesstaates‹«. 95
    Kam es damals zu Reibungen, gab Theodosius meist freiwillig nach. Zumal seit seiner »Buße« für Thessalonike ist er offenbar »vollkommen dem Ambrosius hörig geworden« (Stein). Einträchtig bekämpften
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