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Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit

Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit
Autoren: Karlheinz Deschner
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kam es in Ägypten, ähnlich wie in Nordafrika beim Donatistenstreit, zum Schisma. Patriarch Petrus verschwand vorsichtigerweise von der Bildfläche, worauf der rigoristische Melitius, Bischof von Lykopolis, sich die Rechte des flüchtigen Alexandriners anmaßte, der das Schisma nicht einmal durch sein Martyrium (311) beseitigen konnte. Es bestand als »Kirche der Märtyrer« fort, trotz der schon 306 erfolgten Exkommunikation des Melitius, der immerhin, schließlich selber in die berüchtigten Bergwerke von Phaino (Palästina) verbannt, rund ein Drittel des ägyptischen Episkopats, 34 Prälaten, hinter sich hatte. Auf dem Konzil von Nicaea weder exkommuniziert noch voll anerkannt, versuchte nun offenbar sein Anhang beim Tod des Patriarchen Alexander, einen eignen Kandidaten zu erheben. Denn nur so erklärt es sich, daß von 54 in Alexandrien versammelten Bischöfen bloß sieben, eine peinliche Minderheit, den Athanasius wählten, der es gleichwohl verstand, Konstantin Einigkeit vorzuspiegeln und von ihm ein Glückwunschschreiben zu erhalten. 34
    Wie Paulus vermutlich und Gregor VII. war Athanasius – einer der umstrittensten Menschen der Geschichte (auch einige seiner Lebensdaten sind heute noch kontrovers) – klein und schwächlich; »homunculus« nennt ihn Julian. Doch wie Paulus und Gregor, jeder ein Genie des Hasses, kompensierte wohl auch dieser starrsinnigste Gottesmann des Säkulums sein unscheinbares Äußere durch eine unheimliche Aktivität. Er wurde einer der zähesten und skrupellosesten geistlichen Verführer. Die Katholiken freilich erklärten ihn zum Kirchenlehrer – höchste Ehre für einen ihresgleichen; wozu denn auch die Fakten passen: »brutale Gewalt gegen Gegner, an die er herankam, Mißhandlungen, Prügel, Verbrennung der Kirchen, Mord« (Dannenbauer). Fehlen Bestechung noch und Fälschung; »imposant«, wenn man mit Erich Caspar so will, aber »menschlich gewinnender Züge gänzlich bar«. Ähnlich spricht Eduard Schwartz von »dieser menschlich abstoßenden, geschichtlich großartigen Natur«, der er »die Unfähigkeit« bescheinigt, »zwischen Moral und Politik einen Unterschied zu machen, das Fehlen jeglichen Zweifels an der eignen Selbstgerechtigkeit«. Theologe Schneemelcher dagegen trennt feinsinnig Athanasius' »kirchenpolitische Pamphlete ... mit ihrer gehässigen Polemik und ihrer Unwahrhaftigkeit« von seinen »dogmatischen Schriften, die das Herz der Rechtgläubigkeit erfreuen«, und versteht Athanasius als einen Mann, »der ganz Theologe und Christ sein will und doch immer ganz Mensch bleibt« – was offensichtlich heißt, daß der Theologe und Christ, wie so viele seines Schlags, herzerfreuende Rechtgläubigkeit mit Haß und Lüge verbindet. Schneemelcher selbst erwähnt die »Intrigen« und »das gewalttätige Treiben des Hierarchen« und findet mit Recht das Bild nicht verschönt »durch die genau auf derselben Ebene liegenden Aktionen der Gegenseite«. (Wobei der wichtige Satz fällt: »Kirchenpolitik hat im letzten Grund immer unrecht.«) Athanasius aber, der »mit allen Mitteln der Diffamierung« gearbeitet und »mehr als einmal die Grenze des Hochverrats gestreift« hat, was sein Bewunderer v. Campenhausen schreibt, scheute nach Aussagen von Zeitgenossen auch die Liquidierung der Gegner nicht. Ein »Blutmensch«, so 355 der da sehr kompetente Konstantius in Mailand, der »der ganzen Welt hämisch ins Gesicht« lacht. Oder, wie sein heidnischer Nachfolger Kaiser Julian sagt: ein Wicht, der sich groß vorkomme, wenn er seinen Kopf riskiere. Oder, wie Katholik Lippl resümiert: »Sein Leben und Wirken ist ein bedeutungsvolles Stück Kirchengeschichte.« 35
    Nun stimmte der alexandrinische »Papst« vielleicht als erster zwar den Kampfruf an: Freiheit der Kirche vom Staat – wenn man davon absieht, daß vorher schon die Donatisten fragten: Was hat denn der Kaiser mit der Kirche zu tun? Aber wie sie, so rief auch Athanasius bloß, weil er den Staat, den Herrscher, gegen sich hatte. Denn an sich schätzte der Heilige natürlich Druck und Macht, war er »oft so hemmungslos wie seine Gegner« (Vogt). Auch der als »Patriarch der Orthodoxie« geehrte hl. Epiphanius (desen Glaubenseifer anerkanntermaßen arg mit seinem Verstand kontrastierte; vgl. S. 163 f), bezeugt von Athanasius: »Wenn man Widerstand leistete, brauchte er Gewalt.« Traf Gewalt ihn aber selbst, wie 339 beim Einzug des Arianers Gregor in Alexandrien (S. 378), erklärte er: »Niemals hätte ein Bischof sich
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