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Krank (German Edition)

Krank (German Edition)

Titel: Krank (German Edition)
Autoren: Jack Kerley
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Seite lag doch gerade eben noch hier … zu dumm, ich glaube, sie ist noch im Kopierer. Warten Sie kurz.«
    Ich klammerte mich an meinem Handy fest und sah zu McCoy hinüber, der wie angewurzelt vor der Wand mit den Fotos und dem anderen Krimskrams stand. »Ich wünschte, ich wäre schon früher mal hier gewesen«, seufzte er kopfschüttelnd.
    »Wieso?«
    Er deutete mit dem Kinn auf die seltsamen Holz- und Metallgeräte an der Wand, deren Anblick bei mir ein leichtes Unwohlsein ausgelöst hatte.
    »Donna weiß bestimmt nicht, was das ist, oder?«, fragte er.
    »Das hat sie in Horaces Schuppen gefunden. Sie glaubt, dass es sich dabei um landwirtschaftliche Gerätschaften handelt. Können Sie damit etwas anfangen, Lee?«
    McCoy atmete langsam aus. »Mit dem Holzstock da rechts trennt man kämpfende Hunde. Und dieses schwere Leder- und Metallband legt man Kampfhunden um zur Stärkung der Halsmuskeln. Daneben ist ein …«
    Miss Lutes meldete sich wieder. »Mr. Ryder? Jetzt habe ich den Namen des Mannes, der das Gelände vom Staat erstanden hat.«
    »Lassen Sie mich raten, er hieß Horace Cherry, nicht wahr?« Mir wurde schwindelig.
    »Horace Thurgood Cherry«, stellte Miss Lutes klar und meinte: »Was für ein klangvoller Name!«

Kapitel 51
    »Horace Cherry war der Colonel?«, fragte McCoy. »Sind Sie sich sicher?«
    Ich nickte. »Der Direktor des Höllenzirkus.«
    »Und was hat das mit Donna zu tun?«
    »Sie ist die einzige noch lebende Verwandte von Horace Cherry. Vor einiger Zeit hat sie sich mal als letzte Kirsche am Baum bezeichnet.«
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis bei McCoy der Groschen fiel.
    »Stone hat sich an Beale gerächt … stellvertretend für dessen Vater«, sagte er leise.
    »Und nun muss Cherry für Onkel Horace herhalten«, meinte ich. »Sie symbolisiert den Colonel.«
    »Wieso Colonel?«, fragte McCoy. »Soweit ich mich entsinne, war Horace nie beim Militär.«
    Ich ging zum anderen Ende des Raumes, wo gerahmte Zeugnisse an der Wand hingen. Die meisten Diplome und Sporturkunden trugen Donna Cherrys Namen. Ich deutete auf ein Dokument, das ihrem Onkel gehörte.
    »Hier, Lee. Diese Urkunde bescheinigt, dass Horace T. Cherry Mitglied des Honorable Order of Kentucky Colonels war.«
    »Ich bin auch ein Kentucky Colonel«, spottete McCoy. »Jeder dritte Bewohner Kentuckys ist ein Colonel und damit das, was Kurt Vonnegut als Granfalloon bezeichnet, ein Synonym für überhebliches, bedeutungsloses Individuum.«
    »Burton war der Trainer, Tanner der Pfaffe, Powers die Lady. Da ergibt es durchaus Sinn, dass Horace als Colonel fungierte.«
    »Je länger ich darüber nachdenke, desto logischer klingt es. Horace war ein wahrer Granfalloon , ein selbstverliebter Schwadroneur. Er war laut, trank zu viel, stand auf Glücksspiel. Bildete sich ein, allen anderen überlegen zu sein und über dem Gesetz zu stehen. Er hat immer mal wieder mit Steuerhinterziehung geprahlt.«
    »Warum verehrt Cherry ihn so?«
    »Nach der Highschool sah sie Horace nur noch selten. Alles, was ihr blieb, waren Erinnerungen, die mit den Jahren immer schöner wurden. Wir alle haben doch einen Freund oder Verwandten, dem wir so ziemlich alles nachsehen, oder?«
    »Hm, damit könnten Sie recht haben. Womit hat Horace seinen Lebensunterhalt verdient?«
    »Mit allem, was Geld abwarf. Ein paar Jahre lang hatte er einen Waschsalon, den er irgendwann verkaufte. Mit dem Erlös legte er sich einen Sandwich-Shop zu und tauschte den später gegen ein Geschäft ein, in dem man Pokale und Kelche gravieren lassen konnte. Hörte man Horace reden, hätte man ihn für Donald Trump halten können.«
    »Alles triftige Gründe, ihm den Spitznamen Colonel zu verpassen«, meinte ich. »Wie ist er gestorben?«
    McCoy deutete auf den Abgrund hinter dem Haus. »Es heißt, Horace wäre bei einen plötzlichen Ohnmachtsanfall dort hinuntergestürzt. Allerdings ist er nicht unten gelandet, sondern in einem Baum hängen geblieben. Ich war Leiter des Rettungsteams und musste seinen Leichnam aus den Ästen bergen.«
    »Sie glauben nicht an den Ohnmachtsanfall, oder?«
    McCoy sah mich an, als müsse er seine Antwort sorgfältig abwägen. »Als ich Horace in den Rettungskorb hievte, entdeckte ich einen Papierfetzen, der an seiner Brust befestigt war. Die Schrift darauf war so klein, dass man sie kaum entziffern konnte. Sie kam mir vor wie ein Flüstern. Horace hatte nie geflüstert.«
    »Wie lautete die Nachricht?«
    » Ich entschuldige mich für alles, was ich getan
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