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Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Titel: Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman
Autoren: Verlag Klaus Wagenbach
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könnte mich doch in letzter Minute verlassen; dann müsste ich einen verdammt hohen Preis bezahlen. Ich vertraue ihm nicht. Ich vertraue niemandem. Ich könnte bösen Frauen in die Falle gehen, die Männern ihre Manneskraft rauben. Dann wäre ich mit dem Marbout 14 -Fluch belegt. Aber es ist nicht der Herr Dhakar, der mich vor dieser folkloristischen Nacht rettet. Los! Mach hin! Man wird die Zagharid nicht hören, ehe der heilige Saft rinnt. Der Dhakar ist das Messer, das die Jungfräulichkeit schlachtet. Komm, Junge! Blut! Blut! Blut! Blut! Blut! Blut!
    – Yuuuuuuuuyuuuuuuuyuuuu …
    Ich sehe … sehe mich selbst blutbesudelt aus dem Zimmer treten. Meine Familie, die Familie meiner Braut und die Hochzeitsgäste stürzen wie ein Wespenschwarm auf mich zu, bereit, sich in einen Kadaver zu verbeißen. Nicht lange, und ich spüre ihre Zähne in meinem Fleisch, sehe am Boden mein Blut, öffne mit Mühe die Augen und sehe mich von einer Meute Wölfen umkreist. Auuuuuuu …
    Unterdessen schreitet ein alter Mann mit langem weißem Bart an mir vorbei, ohne stehenzubleiben.
    »Großvater, hilf mir!«
    »Ich bin nicht dein Großvater.«
    »Wer bist du dann?«
    »Ich bin Luqmàne. 15 «
    »Hilf mir, weiser Luqmàne.«
    »Höre, was ich dir sage, und merke es dir. Mein Sohn, wenn bewaffnete Männer dich unterwegs anhalten und dich zwingen, ein Urteil über die Frage abzugeben, ob Kain Recht hat oder Abel, dann wehe dir, wenn du antwortest: »Kain hat Recht und Abel Unrecht.« Die bewaffneten Männer könnten Abelianer sein. Und das wäre dein Ende. Oh Sohn, zweifach wehe dir, wenn du sagst, Kain hat Unrecht und Abel Recht, denn die bewaffneten Männer könnten auch Kainianer sein. Und das wäre dein Ende. Oh Sohn, dreifach wehe dir, wenn du sagst, dass weder Kain noch Abel Recht haben. Auch das wäre dein Ende, denn die Zeit ist knapp und es bleibt kein Raum für Neutralität. Mein Sohn, eher solltest du dir die Zunge abschneiden und sie verschlucken. Oh Sohn, flüchte! Flüchte! Flüchte! Wehe dir! Die Zwietracht ist gefährlicher als alle Zähne der Wölfe. Auuuuu …«
    Mitten in diesem Höllenritt auf den Wellen des nächtlichen Wolfsgeheuls erwachte ich zitternd, ging eilig in mein kleines Bad und begann, diesen Alptraumtext aufzuzeichnen.

Die Wahrheit des Mauro Bettarini
    Meine Arbeit als Polizeikommissar hat mich gelehrt, dass die Wahrheit eine Medaille mit zwei Seiten ist. Und dass immer beide gemeinsam ein Bild ergeben.
    Die Wahrheit: deren erste Seite
    Für mich sind die Ermittlungen abgeschlossen. Der Mörder heißt Ahmed Salmi, den alle Amedeo nennen. Sein plötzliches Verschwinden ist ein Beweis dafür, dass er mit dem Mord am jungen Lorenzo Manfredini, genannt »Il Gladiatore«, zu tun hat. Ein Krimineller flüchtet üblicherweise. Da ist die Realität schon anders als im Krimi. Inspektor Columbo ist nämlich der Einzige, der sich nicht damit abplagt, nach Kriminellen zu suchen und sie festzunehmen – aus dem einfachen Grund, dass sie sich ihm am Ende immer ohne Widerstand ergeben. Leider bin ich nicht Columbo und deshalb gezwungen, mich den Kriminellen an die Fersen zu heften und sie schließlich ins Gefängnis zu bringen.
    Ich erhielt den Auftrag, in diesem Mordfall zu ermitteln, weil ich mit der Gegend dort ziemlich vertraut bin. Ich habe viele Jahre im Kommissariat des Stadtbezirks Esquilino zugebracht und hatte Gelegenheit, die Probleme der Menschen rund um die Piazza Vittorio näher kennenzulernen. Mit Ahmed Salmi machte ich Bekanntschaft, als er sich anbot, bei der Lösung des Taubenproblems auf der Piazza Santa Maria Maggiore zu vermitteln, das von seinem iranischen Freund verursacht worden war. Ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, dass dieser iranische Einwanderer verrückt ist. Einmal fragte er mich: »Warum nehmt ihr mich grundlos fest, während ihr Verbrechern die Freiheit einräumt, in der U-Bahn Pizza zu essen und damit die Leute zu belästigen?« Sollte jemand, der so etwas sagt, nicht besser in einer psychiatrischen Klinik weggesperrt werden? Der Angeklagte bat mich vor einem Jahr auch, einem asiatischen Einwanderer dabei behilflich zu sein, ein paar Fehler auf seiner Aufenthaltserlaubnis zu korrigieren. Woher er genau war, weiß ich nicht mehr.
    Ich dachte, Amedeo sei ein Italiener, der sich ehrenamtlich der Probleme von Einwanderern bezüglich Gesundheit und Arbeit annimmt. Ich weiß gar nicht, warum sich manche Italiener so schwer damit tun, Einwanderern ein wenig zu helfen. Viele
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