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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition)
Autoren: Otfried Preußler
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Verschnaufen, wie Krabat argwöhnte, sondern er rannte zum Mühlenweiher hinauf und nachdem er die Stützpfosten weggeräumt hatte, zog er die Schleuse.
    Das Wasser schoss in den Mühlgraben ein, kam herangebraust und ergoss sich mit Schwall und Prall ins Gerinne. Ächzend begann sich das Rad zu drehen; es dauerte eine Weile, bis es in Fahrt kam, dann lief es ganz munter weiter. Nun hätten mit dumpfem Gepolter die Mahlgänge einsetzen müssen, aber nur einer lief an – und der eine mit einem Geräusch, das dem Jungen fremd war. Es schien aus dem hintersten Winkel der Mühle zu kommen, ein lärmendes Rattern und Schnarren, von hässlichem Quietschen begleitet, das bald in ein hohles, die Ohren marterndes Jaulen überging.
    Krabat entsann sich des Toten Ganges, er spürte, wie ihm die Gänsehaut über den Rücken lief.
    Einstweilen war unten die Arbeit weitergegangen. Der Planwagen wurde entladen, dann hatten die Mühlknappen eine Weile Pause – aber nicht lange, da ging es von Neuem los mit der Plackerei, wenn auch diesmal die Säcke vom Haus zum Fuhrwerk zu schleppen waren. Was immer sie vorher enthalten hatten: nun wurde es in gemahlenem Zustand zurückgebracht.
    Krabat wollte die Säcke zählen, aber er nickte darüber ein. Beim ersten Hahnenschrei weckte ihn das Gerumpel von Wagenrädern. Der Fremde, das sah er gerade noch, fuhr mit Peitschengeknall durch die nassen Wiesen davon, auf den Wald zu – und seltsam: der schwer beladene Planwagen hinterließ keine Spur im Gras.
    Einen Augenblick später wurde die Schleuse geschlossen, das Mühlrad lief aus. Krabat huschte an seinen Platz zurück und zog sich die Decke über den Kopf. Die Müllerburschen kamen die Treppe heraufgewankt, müde und abgerackert. Wortlos nahmen sie ihre Schlafplätze ein, nur Kito murmelte etwas von dreimal verfluchten Neumondnächten und höllischer Schinderei.
     
    Am Morgen kam Krabat vor Müdigkeit kaum vom Strohsack hoch, ihm brummte der Schädel, er hatte ein flaues Gefühl im Bauch. Beim Frühstück musterte er die Müllerburschen: Sie waren verschlafen und übernächtigt. Mürrisch würgten sie ihre Grütze hinunter. Selbst Andrusch war nicht zum Spaßmachen aufgelegt; finster stierte er in die Schüssel und gab keinen Laut von sich.
    Nach dem Essen nahm Tonda den Jungen beiseite.
    »Du hast eine schlechte Nacht gehabt?«
    »Wie man’s nimmt«, sagte Krabat. »Ich brauchte ja nicht zu schuften, ich hab euch bloß zugeschaut. Aber ihr! – Warum habt ihr mich nicht geweckt, als der Fremde vorfuhr? Ihr wolltet es wohl vor mir geheim halten – wie so vieles, was auf der Mühle vorgeht, von dem ich nichts wissen soll. Bloß: ich bin ja nicht blind und nicht taub – und vor allem nicht mit der Mütze gepocht, das schon gar nicht!«
    »Niemand behauptet das«, wandte Tonda ein.
    »Aber ihr tut so!«, rief Krabat. »Ihr spielt Blindekuh mit mir – warum macht ihr nicht endlich Schluss damit?«
    »Alles braucht seine vorgeschriebene Zeit«, sagte Tonda ruhig. »Bald wirst du erfahren, welche Bewandtnis es mit dem Meister und dieser Mühle hat. Der Tag und die Stunde sind näher, als du vermutest: bis dahin gedulde dich.«

 
    Karfreitag, am frühen Abend, über dem Koselbruch hing ein fahler, aufgedunsener Mond. Die Mühlknappen saßen in der Gesindestube beisammen, Krabat lag müde auf seiner Pritsche und wollte schlafen. Auch heute hatten sie arbeiten müssen. Wie gut, dass es endlich Abend geworden war, dass er nun seine Ruhe hatte  …
    Mit einem Mal hörte er seinen Namen rufen, wie damals im Traum, in der Schmiede von Petershain – nur dass die Stimme, die heisere, die aus den Lüften zu kommen schien, ihm jetzt nicht mehr fremd war.
    Er setzte sich auf und lauschte, zum zweiten Mal rief es: »Krabat!«
    Da griff er nach seinen Kleidern und zog sich an. Als er fertig war, rief ihn der Meister zum dritten Mal.
    Krabat beeilte sich, tappte zur Bodentür, öffnete. Licht drang von unten herauf, im Hausflur hörte er Stimmen, das Klappern von Holzschuhen. Unruhe überkam ihn, er zögerte, hielt den Atem an – doch dann gab er sich einen Ruck und drei Stufen auf einmal nehmend, lief er hinunter.
    Am Ende des Flures standen die elf Gesellen. Die Tür zu der Schwarzen Kammer stand offen, der Meister saß hinter dem Tisch. Wie damals, bei Krabats Ankunft, lag wieder das dicke, in Leder eingebundene Buch vor ihm; es fehlte auch nicht der Totenkopf mit der brennenden roten Kerze; nur dass der Meister jetzt nicht mehr
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