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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition)
Autoren: Otfried Preußler
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um Krabat zu scheren. Und dennoch fühlt sich der Junge heimlich beobachtet.
    Wie er sich umblickt, bemerkt er, dass auf dem Dach des Holzschuppens jemand sitzt und ihn anstarrt: ein struppiger schwarzer Kater, fremd hier – und einäugig.
    Krabat bückt sich, er wirft einen Stein nach ihm, scheucht ihn fort. Dann eilt er im Schutz der Weidenbüsche zum Mühlenweiher. Zufällig sieht er, dass nahe dem Ufer ein feister Karpfen im Wasser steht: einäugig glotzt er zu Krabat empor.
    Dem Jungen wird unbehaglich, er hebt einen Stein auf, er schleudert ihn nach dem Fisch. Der Karpfen taucht weg, in die grüne Tiefe hinab.
    Nun folgt Krabat dem Schwarzen Wasser bis zu der Stelle im Koselbruch, die sie den Wüsten Plan nennen; dort verweilt er für ein paar Augenblicke an Tondas Grab. Er erinnert sich dunkel, dass sie den Freund eines Wintertages hier draußen begraben mussten.
    Er denkt an den Toten – und plötzlich, es trifft ihn so unerwartet, dass ihm das Herz stockt: ein heiseres Krächzen. Auf einer verkrüppelten Föhre am Rand des Planes hockt reglos ein fetter Rabe. Sein Blick ist auf Krabat gerichtet – auch ihm fehlt, der Junge sieht es mit Schaudern, das linke Auge.
    Krabat weiß nun, woran er ist. Er besinnt sich nicht lange, er rennt davon: Rennt, was die Sohlen halten, am Schwarzen Wasser entlang, bachaufwärts.
    Wie er das erste Mal anhalten muss, weil er außer Atem ist, schlängelt sich eine Natter durchs Heidekraut, richtet sich zischelnd auf, blickt ihn an – sie ist einäugig! Einäugig ist auch der Fuchs, der ihm aus dem Dickicht entgegenspäht.
    Krabat rennt und verschnauft eine Weile, er rennt und verschnauft. Gegen Abend erreicht er das obere Ende des Koselbruchs. Wenn er ins Freie hinaustritt, so hofft er, wird er dem Zugriff des Meisters entronnen sein. Flüchtig taucht er die Hände ins Wasser, netzt Stirn und Schläfen. Dann steckt er das Hemd in die Hosen, es ist ihm beim Laufen herausgerutscht, zieht den Gürtel stramm, bringt die letzten paar Schritte hinter sich – und erschrickt: Statt, wie erhofft, auf die freie Heide, tritt er auf eine Lichtung hinaus; und mitten auf dieser Lichtung, friedlich im Abendschein, liegt die Mühle. Der Meister erwartet ihn vor der Haustür. »Na, Krabat«, begrüßt er ihn spöttisch. »Ich wollte schon nach dir suchen lassen.«
    Krabat ist wütend, er kann sich das Missgeschick nicht erklären.
    Anderntags läuft er wieder weg, diesmal in aller Frühe, vor Tau und Tag – in entgegengesetzter Richtung, zum Wald hinaus, über Felder und Wiesen, durch Dörfer und Weiler. Er springt über Wasserläufe, er watet durch einen Sumpf, ohne Rast, ohne Aufenthalt. Raben, Nattern und Füchse beachtet er nicht; keinen Fisch blickt er an, keine Katze, kein Huhn, keinen Enterich. »Mögen sie einäugig sein oder zweiäugig – oder von mir aus blind«, denkt er. »Diesmal lasse ich mich nicht irremachen!«
    Trotzdem steht er am Ende des langen Tages abermals vor der Mühle im Koselbruch. Heut sind es die Mühlknappen, die ihn empfangen: Lyschko mit hämischen Reden, die anderen schweigend und eher mitleidig. Krabat ist der Verzweiflung nahe. Er weiß, dass er aufgeben sollte; aber er will es nicht wahrhaben, er versucht es ein drittes Mal, diese Nacht noch.
    Das Weglaufen aus der Mühle fällt ihm nicht schwer – und dann immer dem Nordstern nach! Mag er auch straucheln, mag er sich in der Finsternis Beulen und Schrammen holen: Hauptsache, dass ihn niemand sieht, dass ihn keiner behexen kann  …
    Unweit von ihm schreit ein Käuzchen, dann streicht eine Eule vorbei; wenig später entdeckt er im Sternenlicht einen alten Uhu: zum Greifen nahe sitzt er auf einem Ast und beobachtet ihn – mit dem rechten Auge, das linke fehlt ihm.
    Krabat läuft weiter, er fällt über Wurzeln, er stolpert in einen Wassergraben. Es wundert ihn kaum noch, dass er bei Tagesanbruch zum dritten Mal vor der Mühle steht.
    Im Haus ist zu dieser Stunde noch alles still, nur Juro rumort in der Küche herum, er hantiert am Herd, Krabat hört ihn und geht hinein.
    »Du hast recht gehabt, Juro – man kann hier nicht weglaufen.«
    Juro gibt ihm zu trinken, dann meint er: »Du solltest dich erst mal waschen, Krabat.« Er hilft ihm aus seinem nassen, mit Blut und Erde beschmutzten Hemd, er füllt ihm ein Schaff mit Wasser und sagt dann – ernsthaft und ohne sein übliches blödes Grinsen sagt er es: »Was du allein nicht geschafft hast, Krabat – das wäre vielleicht zu
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