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KR088 - Ich fing den Fänger

KR088 - Ich fing den Fänger

Titel: KR088 - Ich fing den Fänger
Autoren: Delfried Kaufmann
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beunruhigte mich sein Fehlen. Wenn aber Frew bei einer solchen Sache nicht dabei war, so konnte das nur bedeuten, dass er einer noch sensationelleren Affäre nachging.
    Neues Blitzlichtgefunke riss mich aus meinen Gedanken. Jetzt hatten die Reporter das dankbarste Objekt für ihre nimmersatte Neugier gefunden, denn an den Polizisten vorbei kam John McLean, gefolgt von zwei Männern, die einen großen Seesack trugen. Hinter ihnen ging mein Kollege Robert Holder.
    Myer zog an seiner Seite der Kanzel den Vorhang zurück. Damit kam er nun doch nicht daran vorbei, sein Konterfei der Öffentlichkeit darbieten zu müssen. Ich senkte schnell den Kopf. Der alte McLean stieg als erster die Leiter zur Kanzel hinauf. Ich beobachtete ihn so schräg von unten und sah damit zum ersten Mal einen Millionär aus nächster Nähe.
    Eigentlich hatte ich mir Leute seines Schlages anders vorgestellt.
    Er war ein etwas korpulenter Mann, und sicherlich hatte der beste Schneider New Yorks seinen Anzug gebaut. Trotzdem wirkte der Millionär verknittert, als habe er in dem Zeug geschlafen, und sein Gesicht sah aus, als habe er sich heute nicht rasiert. Um seine kleinen blicklosen Augen lagen tiefe Schatten.
    Er nahm den Platz hinter dem Pilotensitz ein und sprach kein Wort.
    Von unten wurde der Seesack hochgestemmt. Myer rief mir zu, ich solle anfassen, und ich tat es so, dass ich meinen Kopf dabei gebeugt halten konnte. Kaum hatte ich den Sack, fünfzigtausend Dollar schwer, verstaut, ließ Myer den Motor anspringen. Ich erwischte noch einen fragenden Blick Holders, dann erhob sich der Hubschrauber schon senkrecht in die Lüfte.
    Myer stieg auf eine Höhe von achthundert Yard und gondelte dann langsam nach Westen. Ich zog den Vorhang zur Seite. Unter uns glitt im langsamen Flug der Maschine das Häusermeer von New York vorbei, lichtete sich zu einzelnen Blocks und Stadtvierteln.
    Die breiten Bänder der Autobahnen entsprangen wie Flüsse der Stadt.
    Myer schwenkte nach Südwesten ab und ließ den Hubschrauber langsam absinken bis auf zweihundertfünfzig Yard. Die Einzelheiten wurden deutlicher. Die Baumwipfel, obwohl Hunderte von Fuß unter uns, schienen unsere Füße zu streifen.
    »Losborne«, sagte Myer und zeigte mit dem Kinn in Richtung auf vier oder fünf rote Dächer, die rechts unten auftauchten. »Halten Sie nach dem Tuch Ausschau.«
    Er ging noch etwas tiefer hinunter. Der Wald unter uns war jetzt sehr dicht, aber von hier oben schien er nicht groß zu sein. Zwei Autobahnen begrenzten ihn im Westen und im Süden. Es musste sich um Zubringerstraßen handeln. Wenn ich die Karte der Gegend richtig im Kopf hatte, so war der Platz verdammt gut gewählt. Die Straßen ermöglichten dem Fänger die Flucht in Richtung New York und Chikago, und solange er sein Opfer bei sich hatte, brauchte er nicht zu fürchten, von der Polizei ernsthaft belästigt zu werden.
    Es war McLean, der das weiße Tuch zuerst bemerkte. Die Lichtung tauchte nach einer sanften Anhöhe so plötzlich vor uns auf, dass sie wie hingehext unter uns lag. Und es ,waren die ersten Worte, die der Millionär während des Fluges sagte: »Das Tuch! Wir sind da!«
    Myer brachte den Hubschrauber durch eine sanfte Kreisbewegung gegen den Wind. Er veränderte die Flügelstellung und ließ die Maschine langsam absinken.
    »Nicht tiefer«, sagte McLean, und schon klang Angst in seiner Stimme. »Zweihundert Yard hat er vorgeschrieben. Gehen Sie nicht tiefer als zweihundert Yard!«
    Der Pilot stoppte. Wir schwebten genau über dem weißen Punkt.
    McLean wollte nach vorne kommen, aber Myer winkte ab: »Lassen Sie, das macht er.«
    »Er« war ich. Na schön, ich schob die Seitentür zurück, zerrte den Sack an den Rand der Kanzel und warf die fünfzigtausend Dollar buchstäblich zum Fenster hinaus. Der Seesack trudelte durch die Luft und plumpste wenige Schritte von dem Tuch auf dem Waldboden.
    Mir kugelten vor Anstrengung fast die Augen aus dem Kopf, so spähte ich den Waldrand ab, aber nicht die Nasenspitze eines Menschen war zu sehen. Ein schauderhafter Gedanke für einen G-man, über einem Waldstück herumzufliegen, in dem mit höchster Wahrscheinlichkeit ein halbes Dutzend Gangster auf der Erde lagen und sich den Bauch vor Lachen hielten. Und man konnte den Burschen nicht an den Kragen gehen, weil sie sonst einen hübschen kleinen Jungen, ohne mit der Wimper zu zucken, töteten.
    »Nach Hause!«, befahl McLean hinter uns mit zitternder Stimme.
    Vielleicht hatte er auch gedacht, dass
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