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Kotzmotz der Zauberer

Kotzmotz der Zauberer

Titel: Kotzmotz der Zauberer
Autoren: Brigitte Werner
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kleinen, immer zerzausten Hasen sahen, die ihn traurig, aber voller Liebe tief, tief, meeresbodentief ansahen, da setzte er sich still auf die Bettkante.
    Sein Herz tat so fürchterlich weh und die Angst drückte ihm so sehr die Luft ab, dass er nicht mehr sprechen und toben und rasen konnte, nur noch fühlen. Und was er da fühlte, war so neu, so heftig, so stark und so ziehend in seinem Herzen, dass er glaubte, dieser Schmerz hätte tausend Schlingarme und würde ihn erdrücken.
    Der kleine Hase rief leise:
    »Ich will zu dir! Bitte, bitte lass mich wieder raus!«
    Da flüsterte der Zauberer sofort und auf der Stelle, so schnell er nur konnte, einzweidreivier Worte und der Käfig verschwand.
    RUCK!
    Und die schweren Ketten lösten sich in Luft auf.
    ZUCK!

    Und der kleine, etwas mitgenommene Hase rannte zu dem Zauberer und setzte sich, so dicht er konnte, neben ihn, so
    dass selbst ein Katzenbabyschnurrbarthaar keinen Platz mehr dazwischen gefunden hätte.
    Er nahm die kalte, dünne Zaubererhand in seine kleine Pfote, die war jetzt auch eiskalt, und flüsterte:
    »Ich bin DEIN Freund! Für immer und noch mehr. Bis nach China! Denn du bist hier drin!«
    Und er nahm die knochige, zittrige Hand des Zauberers und legte sie auf sein kleines, wild pochendes Herz. »Genau HIER bist du drin. Du kannst es fühlen!«, sagte er. »Wenn ich fortgehe, bist du dabei, weil ... egal wo ich hingehe, mein Herz ist immer bei mir drin, stimmt’s? Zusammen mit dir. So ist das!
    Das ist so, weil, nämlich:
    ICH HAB DICH LIEB!«
    Und er rückte noch näher.
    Und der Zauberer spürte etwas Weiches, Warmes dicht neben sich, das war klein und atmete.
    Und als der zerzauste Hase endlich, endlich auf seinem Schoß lag, flüsterte der Zauberer:
    »Warum tut das dann so weh?«
    »Angst tut immer weh«, flüsterte der Hase zurück. »Weil, sie frisst alles an. Sie macht alles klein und dunkel. Und dann wird sie stark und zornig.«
    Der Zauberer nickte, denn seinen Zorn hatte er selber noch nicht verdaut.
    »Aber warum wird die Angst zornig?«, fragte er erstaunt. »Warum?«
    »Weil, sie hat selber Angst«, sagte der zerzauste Hase.
    »Die Angst hat Angst«, wiederholte der Zauberer verblüfft. »Aber wovor?«
    »Natürlich vor dem, was stärker ist«, erklärte der Hase. »Und was ist stärker?«, fragte der Zauberer.
    »Das Liebhaben«, sagte der kleine Hase und lächelte. »Freunde sein. Freunde haben.
    Sich vertrauen.
    Oder alles zusammen.
    Alles zusammen ist das Allerstärkste, weißt du?«

    Der Zauberer blieb lange still.
    Dann murmelte er: »Wir sind doch Freunde, stimmt’s?« Und er fragte das so schüchtern und zaghaft, dass selbst das klitzekleine Fliegenherz der allerkleinsten Fliege auf seinem Zaubererhut zu zittern begann und das Herz des zerzausten Hasen einen Sprung machte.
    Da richtete sich der kleine Hase ganz gerade auf, knickte sein eines Ohr haargenau neben das andere nach oben und sagte mit seiner klarsten und eindringlichsten Stimme laut und deutlich:
    »Das sind wir! Jawoll!
    SEHR! UND IMMER!«
    Da holte der Zauberer tief, tief Luft und sagte: »OH JA!« Aber dieses tintenschwarze Gefühl der Angst, das er gerade gespürt hatte, ließ ihm keine Ruhe. Und er sagte sehr, sehr nachdenklich:
    »Vielleicht will die Angst gar nicht die Stärkste sein. Vielleicht hat sie nur Angst, dass das Wunderschöne alles wieder verschwindet. Und sie hat Angst, weil das dann ganz fürchterlich zwiebelt und schrecklich wehtut. Und davon kriegt sie eine große Wut!«
    Und er erinnerte sich mit Schrecken an die Krakenarme dieser Angst, die ihm das Herz abgedrückt hatten. Und an seinen krallenspitzen Zorn.
    »Vielleicht will sie, mhm, also, vielleicht ... vielleicht will sie einfach nur gestreichelt werden!«, murmelte er.
    Da sprang der kleine Hase auf und schrie:
    »Alles klar! Jetzt wissen wir Bescheid! Das kann sie haben, stimmt’s?«
    Und er stellte sich vor den sitzenden Zauberer. Der beugte sein nachdenkliches Gesicht seiner kleinen, struppigen
    Pfote entgegen und der Hase strich ihm übers Gesicht und über das angstvolle Herz. Und beide flüsterten ihr Lieblingsstreichelwort wieder und immer wieder: »MONAROSADELLA!«
    Bis die Angst ein rundes kleines Hagelkorn wurde.
    Und dann ein Regentropfen.
    Und dann ein Tränenspritzer.
    Und dann war sie fort.

    Der Zauberer stand auf, öffnete Riegel, Türen und Fenster, und als der kleine Hase durchs Sonnenlicht nach draußen hoppelte, rief er:
    »Morgen! Morgen legen wir los! Und denk dran,
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